Themenfelder

E. ESRS S3 – Betroffene Gemeinschaften

Veröffentlicht: 22. März 2024 aus Rundschreiben Nachhaltigkeit 3-2024
Von: Anna Margareta Gehrs, Sebastian Behrens

Der Standard ESRS S3 adressiert Anzeigepflichten zu betroffenen Gemeinschaften. Bei diesen handelt es sich um eine Teilmenge der Stakeholder eines Unternehmens. Das Glossar zur Delegierten Verordnung 2023/2772 enthält hierzu folgende Definition:

„Personen oder Gruppen, die in demselben Gebiet leben oder arbeiten, das von den Tätigkeiten eines Bericht erstattenden Unternehmens oder seiner vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette betroffen ist oder sein könnte. Betroffene Gemeinschaften können von Gemeinschaften, die unmittelbar neben der Betriebsstätte des Unternehmens leben (lokale Gemeinschaften), bis zu in weiterer Entfernung lebenden Gemeinschaften reichen.“

 

Insbesondere das Wort „Betroffene“ ist dabei so zu verstehen, dass entsprechende Gemeinschaften „von den Auswirkungen des Unternehmens direkt betroffen“ sein müssen. Im Vergleich zu den drei anderen S-Standards liegt ESRS S3 somit das am weitesten gefasste Stakeholder-Verständnis zugrunde. Bezüglich möglicher Überschneidungen zu ESRS S1, ESRS S2 und ESRS S4 ist davon auszugehen, dass in den Anwendungsbereich von ESRS S3 alle betroffenen Stakeholder fallen, die von keinem der anderen ESRS erfasst werden. Er könnte somit als eine Art Auffang-Standard bewertet werden.

Ein berichtspflichtiges Unternehmen hat in seinem Nachhaltigkeitsbericht darzustellen, welche wesentlichen Auswirkungen es auf betroffene Gemeinschaften entfaltet, welche Maßnahmen es ergreift, um negative Auswirkungen zu verhindern bzw. abzuschwächen oder zu beseitigen, welchen wesentlichen Risiken und Chancen das Unternehmen von betroffenen Gemeinschaften ausgesetzt ist und welche finanziellen Auswirkungen aus den wesentlichen Risiken und Chancen für das Unternehmen resultieren.

Aktuell enthält ESRS S3 nicht zu jeder dieser Zielsetzungen Angabepflichten. Diese sollen zukünftig, ggf. auch in sektorspezifischen Standards, erarbeitet werden.

Anlage A von ESRS 1 enthält eine Aufstellung von Nachhaltigkeitsaspekten, die bei der Wesentlichkeitsanalyse eines berichtspflichtigen Unternehmens mindestens zu würdigen sind. Hierzu gehören insbesondere auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von Gemeinschaften, Bürgerrechte und politische Rechte von Gemeinschaften sowie explizit die Rechte indigener Völker. Durch den weit(er) gefassten thematischen Fokus des ESRS S3 wird jedoch eine thematische Erweiterung der in Anlage A des ESRS 1 geforderten Angaben zu überprüfen bzw. geboten sein. Dieses gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund der in ESRS 1 verpflichtend vorgegebenen Überprüfung eventuell unternehmensindividuell bestehender Themen in dem jeweiligen Berichtskontext.

1. Governance und Organisation

Hier sind ausschließlich die Angaben gemäß ESRS 2 zu machen. Zusätzliche eigene Angabepflichten resultieren aus ESRS S3 nicht.

2. Strategie und Geschäftsmodell

Die gemäß ESRS S3-1 geforderten Angabepflichten zu Strategien verweisen auf die Mindestangabepflichten gemäß ESRS 2 MDR-P. Die Angaben nach ESRS S3-1 umfassen die Darstellung der verfolgten Strategien zur Achtung der Menschenrechte im Hinblick auf betroffene Gemeinschaften (ESRS S3.16), deren Einklang mit internationalen Normen (z. B. UN oder Human Rights) sowie auf gemeldete Verstöße gegen die Prinzipien.

Während ESRS 2 SBM-2 die Dialogmechanismen in den Fokus rückt, werden in ESRS S3 die gegenständlichen Auswirkungen, Chancen und Risiken in Bezug auf die betroffenen Gemeinschaften zum Berichtsgegenstand. Hierzu gehören insbesondere:

  • Darlegung ob bzw. wie identifizierte Auswirkungen betroffene Gemeinschaften betreffen
  • Darstellung der Zusammenhänge zwischen den identifizierten Auswirkungen und damit verbundenen Chancen und Risiken für das Unternehmen (ESRS S3.8)
  • Beschreibung der betroffenen Gemeinschaften entlang der Wertschöpfungskette (ESRS S3.9 a)) (Hierunter fallen unmittelbare Anrainer in der Nähe der Betriebsstandorte, weitere Gruppen bis hin zum Endpunkt der Wertschöpfungskette sowie indigene Völker.)
  • Darstellung der Gründe wesentlicher negativer Auswirkungen (ESRS S3.9 b)) (z. B. Unfälle oder menschenrechtliche Verstöße)
  • Beschreibung wesentlicher positiver Auswirkungen (ESRS S3.9 c))
  • Erläuterung von Risiken und Chancen, denen das Unternehmen aufgrund seiner Auswirkungen auf und Abhängigkeiten von betroffenen Gemeinschaften ausgesetzt ist (ESRS S3.9 d))

ESRS S3.10 fordert darüber hinaus eine genaue Beschreibung, wie das berichtspflichtige Unternehmen ein Verständnis zur Vulnerabilität bestimmter Gruppen von betroffenen Unternehmen erworben hat und welche Verletzungsgefahren zu berücksichtigen sind (z. B. physische oder wirtschaftliche Isolation, Anfälligkeit für Krankheiten oder begrenzter Zugang zu Sozialleistungen).

Weiterhin ist hinsichtlich der Strategie hervorzuheben, ob sich diese auf alle betroffenen Gemeinschaften bezieht oder lediglich auf ausgewählte Gruppen (ESRS S3.14); explizit ist auf die Strategie einzugehen, die sich auf indigene Völker bezieht (ESRS S3.15). Zusätzlich sind Änderungen der verfolgten Strategie im Vergleich zur vorhergehenden Berichtsperiode offenzulegen (ESRS S3.AR9).

Für die Bekanntmachung der Strategien des Unternehmens werden die relevanten Kommunikationskanäle (Newsletter und Flyer) empfohlen. Ebenso soll der Umgang mit etwaigen Kommunikationsbarrieren thematisiert werden (ESRS S3.AR11). Sofern bereits Darstellungen in den Erläuterungen gemäß anderen ESRS enthalten sind, können diese durch einen konkreten Querverweis hierauf Berücksichtigung finden. Gesondert aufzuführen sind jedoch die Verpflichtungen des Unternehmens in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte (ESRS S3.16).

3. Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen

ESRS S3 verlangt eine Darstellung der formalen Kanäle, die betroffenen Gemeinschaften offenstehen, um Be­denken oder Anliegen direkt an das Unternehmen heranzutragen, und die Erläuterung, wie diese Kanäle überwacht werden (ESRS S3.26). Hierbei werden als potenzielle Kanäle Beschwerdemechanismen, Hotlines, Dialogformate u. Ä. definiert. Eine konkrete Definition und Beispiele finden sich im Glossar zu den ESRS.

Zur Erreichung des Zwecks dieser Angabepflichten sind nachfolgende Datenpunkte anzugeben (ESRS S3.27):

  • Ausgestaltung des allgemeinen Zugangs des Unternehmens und dessen Prozesse für die Bereitstellung von Abhilfemaßnahmen
  • alle spezifischen Kanäle, die das Unternehmen für betroffene Gemeinschaften eingerichtet hat
  • Prozesse, mit denen das Unternehmen die Verfügbarkeit der Kanäle unterstützt
  • Darstellungen, wie das Unternehmen aufgeworfene Bedenken verfolgt und überwacht

Hat ein Unternehmen keinen Kanal für das Melden von Bedenken für betroffene Gemeinschaften eingerichtet oder unterstützt es nicht die Bereitstellung durch Geschäftspartner, so ist dieses anzugeben. In dem Falle ist des Weiteren darzustellen, für wann die Einrichtung einer entsprechenden Meldestelle vorgesehen ist (ESRS S3.29).

Die Ausführungen zur Angabepflicht gemäß ESRS S3-4 konkretisieren und ergänzen die Mindestangabepflichten gemäß ESRS 2 MDR-A und ESRS MDR-T. Ihr Ziel umfasst eine Darstellung der Prozesse und Maßnahmen, die ein Unternehmen verfolgt, um negative Auswirkungen auf betroffene Gemeinschaften zu vermeiden, zu lindern oder gänzlich zu beseitigen. Darüber hinaus soll eine Darstellung erfolgen, wie wesentliche Risiken und Chancen für das Unternehmen in Verbindung mit betroffenen Gemeinschaften adressiert werden (ESRS S3.31).

In Bezug auf die Auswirkungen sind folgende Angaben gefordert:

  • Maßnahmen, um negative Auswirkungen auf be­­troffene Gemeinschaften zu vermeiden
  • Maßnahmen, um positive Auswirkungen auf betroffene Gemeinschaften zu erzielen
  • Überwachung und Beurteilung der Effektivität der Maßnahmen

Die Darstellung der Zusammenhänge zwischen den ökologischen Auswirkungen der Wirtschaftsaktivitäten eines Unternehmens und ihrer damit verbundenen Auswirkungen auf betroffene Unternehmen ist zu beachten (ESRS S3.BC84).

Hinsichtlich der wesentlichen Risiken und Chancen sind Angaben dazu gefordert, welche Maßnahmen geplant sind oder bereits umgesetzt wurden, um Risiken für das Unternehmen zu mindern, die aus Aktivitäten und Abhängigkeiten mit bzw. von betroffenen Gemeinschaften resultieren. Es werden detaillierte Angaben zu folgenden Aspekten gefordert:

  • Maßnahmen zur Sicherstellung, dass das Unternehmen durch seine eigenen Wirtschaftsaktivitäten keine negativen Auswirkungen auf betroffene Gemeinschaften erzielt
  • Angaben, ob schwerwiegende Gefahren von Verstößen gegen Menschenrechte bekannt sind
  • Angaben, welche Ressourcen das Unternehmen aufwendet, um wesentliche Auswirkungen auf betroffene Gemeinschaften zu steuern, und wie eine Integration in den allgemeinen Risikomanagementprozess erfolgt

Zusätzlich sind Angaben zur Beendigung von Geschäftsbeziehungen aufgrund von potenziellen oder tatsächlichen Auswirkungen auf betroffene Gemeinschaften zu machen.

4. Parameter und Ziele  

ESRS S3-5 konkretisiert und ergänzt die Mindestangabepflichten gemäß ESRS 2 MDR-T und beinhaltet Darstellungen, inwieweit ein Unternehmen zeitgebundene und ergebnisorientierte Ziele bei der Bewältigung wesentlicher negativer Auswirkungen und/oder dem Vorantreiben wesentlicher positiver Auswirkungen auf betroffene Gemeinschaften verwendet (ESRS S3.40). Hierbei wird insbesondere eine Darstellung des Prozesses der Zielfestlegung gefordert. Zu den Inhalten der festgelegten Ziele wird dabei ein hoher Freiheitsgrad gelassen. Es werden aber zahlreiche Empfehlungen ausgesprochen:

  • messbare und verifizierbare Form der Ergebnisse
  • Unterscheidung der Ziele, ob sie sich auf Auswirkungen, Risiken oder Chancen des Unternehmens beziehen
  • Definition von Zielen für kurz-, mittel- und langfristige Zeiträume
  • Änderung oder Austausch von Zielen

Dipl.-Kfm. Anna Margareta Gehrs

Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin, Sustainability-Auditor IDW

+49 521 2993176

Sebastian Behrens, B.Sc.

Steuerberater, Sustainability-Auditor IDW

+49 521 29934177

Unsere Autorinnen und Autoren des Beitrags beraten Sie gerne zu Ihren persönlichen Fragen. Mehr zum Bereich:

ESRS S1–S4 Sozialstandards und G1 Governance

 

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