Themenfelder

D. ESRS S2 – Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette

Veröffentlicht: 22. März 2024 aus Rundschreiben Nachhaltigkeit 3-2024
Von: Anna Margareta Gehrs, Sebastian Behrens

Die Themen des ESRS S2 entsprechen inhaltlich denen des zuvor dargestellten ESRS S1, betreffen aber einen anderen Personenkreis. Während es in ESRS S1 um die unmittelbar für das Unternehmen tätigen Personen geht, werden in ESRS S2 die Angabe­pflichten zu den Arbeitskräften in der Wertschöpfungskette adressiert.

 

Als Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette gelten alle Arbeitskräfte in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette des Unternehmens, die vom Unternehmen wesentlich beeinflusst werden oder beeinflusst werden können. Zu berücksichtigen sind auch die Auswirkungen, die mit der eigenen Geschäftstätigkeit und der Wertschöpfungskette verbunden sind, einschließlich der Produkte des Unternehmens, seiner Dienstleistungen und Geschäftsbeziehungen.

In den Anwendungsbereich von ESRS S2 fallen insbesondere folgende Arbeitskräfte:

  • Arbeitskräfte, die ausgelagerte Dienstleistungen an der Betriebsstätte des Unternehmens verrichten (z. B. Bewirtungs- oder Sicherheitspersonal von Dritten)
  • Arbeitskräfte eines vom Unternehmen unter Vertrag genommenen Lieferanten, die in den Räumlichkeiten des Lieferanten nach dessen Arbeitsmethoden arbeiten
  • Arbeitskräfte eines „nachgelagerten“ Unternehmens, das Waren oder Dienstleistungen des Unternehmens bezieht
  • Arbeitskräfte eines Ausrüstungslieferanten des Unternehmens, die an einer Betriebsstätte des Unternehmens die Ausrüstung des Lieferanten (z. B. Fotokopiergerät) gemäß dem Vertrag zwischen dem Ausrüstungslieferanten und dem Unternehmen regelmäßig instandhalten
  • Arbeitskräfte, die tiefer in der Lieferkette Rohstoffe gewinnen, die dann zu Bestandteilen verarbeitet werden, die in den Produkten des Unternehmens verwendet werden

Die Nutzer der Nachhaltigkeitserklärung sollen aufgrund der Angaben nach ESRS S2 ein Verständnis für die sich aus der Geschäftstätigkeit und der Wertschöpfungskette des Unternehmens ergebenden Auswirkungen auf die Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette erzielen können. Ist ein Unternehmen berichtspflichtig (sprich: Im Rahmen der Wesentlichkeitsanalyse wurde das in ESRS S2 adressierte Thema als wesentlich eingeschätzt), hat es wesentliche negative und positive Auswirkungen sowie Maßnahmen zur Verhinderung, Abschwächung oder Beseitigung von tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen inkl. der erzielten Ergebnisse darzustellen. Es hat des Weiteren über wesentliche Chancen und Risiken zu berichten, denen das Unternehmen bezogen auf die Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette ausgesetzt ist, sowie über die Steuerung dieser Chancen und Risiken. Dabei sind auch die finanziellen Effekte in kurz-, mittel- und langfristiger Perspektive zu nennen.

Die abzudeckenden Themen entsprechen wie eingangs erläutert inhaltlich den Themen des ESRS S1. Die Anwendungsanforderungen schlagen zusätzlich zur allgemeinen Darstellung vor, Aspekte, die mit kurzfristigen wesentlichen Auswirkungen verbunden sind, gesondert darzustellen. Die Angabepflichten, die sich aus anderen EU-Rechtsakten ergeben, stehen bei dem ESRS S2 insbesondere mit dem Thema „Achtung der Menschenrechte“ in Zusammenhang. Insgesamt hat ESRS S2 einige Anknüpfungspunkte zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Dementsprechend können Berichtspflichten und Sorgfaltspflichten aus dem LkSG teilweise für die Berichterstattung im Rahmen des ESRS S2 genutzt werden. Ein schlichter Verweis bzgl. inhaltlich gleicher Angaben auf einen entsprechenden Bericht nach LkSG ist jedoch nicht zulässig, da er an anderer Stelle verortet ist.

Die in ESRS 2 für Angaben gemäß ESRS S2 vorgesehenen mehrjährigen Übergangsregelungen haben sehr hohe praktische Bedeutung, da das Zusammentragen von Informationen für die Angaben über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg Unternehmen vor große Herausforderungen stellen wird. Gemäß den bestehenden Übergangsregelungen darf ein Unternehmen, unabhängig von seiner Größe, in den ersten drei Jahren mit Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung auf konkrete Angaben verzichten, sofern ihm nicht alle Informationen über seine Wertschöpfungskette vorliegen. In diesem Falle muss es aber darstellen, welche Anstrengungen es unternommen hat, um die Informationen zu erlangen, die Gründe für fehlende Informationen nennen und seine Pläne zur Informationsbeschaffung beschreiben.

1. Governance und Organisation

Hier sind ausschließlich die Angaben gemäß ESRS 2 zu machen. Zusätzliche eigene Abgabepflichten resultieren aus ESRS S2 nicht.

2. Strategie und Geschäftsmodell

Darzustellen ist, wie die Ansichten, Interessen und Rechte der tatsächlich oder potenziell wesentlich beeinflussten Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette in der Unternehmensstrategie und im Geschäftsmodell berücksichtigt werden. Wie in allen Themenstandards ist der Prozess des Stakeholder-Dialogs darzustellen, wobei kein Prozess vorgegeben wird. Der Dialog kann durch direkten Austausch mit den Arbeitskräften erfolgen, aber auch in Form eines Austauschs mit Interessenvertretern (glaubwürdige Stellvertretende oder rechtmäßige Vertreter) durchgeführt werden.

Des Weiteren sind die Auswirkungen, Chancen und Risiken in Bezug auf die Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette darzustellen. Wichtig ist hier, ob und wie die wesentlichen Auswirkungen die Arbeitskräfte betreffen, ob und wie diese aus der Strategie und dem Geschäftsmodell entstehen bzw. damit zusammenhängen und ob und wie eine Berücksichtigung dieser Auswirkungen bei der Entwicklung und laufenden Anpassung der Unternehmensstrategie und des Geschäftsmodells erfolgt.

3. Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen

Dargelegt werden sollen Konzepte, die das Unternehmen für das Management der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen für Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette eingerichtet hat. Werden von den Konzepten lediglich ausgewählte Gruppen erfasst, sind diese konkret zu benennen. Des Weiteren soll das Unternehmen erklären, wie die Strategien gegenüber denjenigen kommuniziert werden, die davon betroffen sind. Anhaltspunkte für die empfohlene Verfahrensweise geben die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie die OECD-Leitlinien.

Neben der Darstellung der bestehenden Konzepte und Richtlinien sowie deren Kommunikation gegenüber den Arbeitskräften in der Wertschöpfungskette sind menschenrechtspolitische Verpflichtungen zu beschreiben, die für die Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette relevant sind. Zu diesen Verpflichtungen sind auch die installierten Prozesse und Mechanismen zur Überwachung der Einhaltung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, der Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit oder der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen anzugeben. Dabei soll sich das Unternehmen auf wesentliche Sachverhalte konzentrieren und erklären, inwiefern seine Strategien im Einklang mit international anerkannten Standards stehen. Ausdrücklich muss das Unternehmen auf seine Strategien im Zusammenhang mit Menschenhandel, Zwangsarbeit und Kinderarbeit eingehen.

Den Dialoggedanken im Fokus hat das Unternehmen darzustellen, inwiefern die Sichtweisen der Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette seine Entscheidungen oder Tätigkeiten beeinflussen. Verfügt das Unternehmen nicht über ein allgemeines Verfahren, so ist dies anzugeben. Zu beschreiben ist außerdem das Abhilfe- und Beschwerdeverfahren, das den Arbeitskräften in der Wertschöpfungskette zur Verfügung steht, um Bedenken zu äußern. Des Weiteren ist darzustellen, wie die Wirksamkeit dieser Kanäle überwacht wird. Der Standard verweist auch hier auf die einschlägigen UN- und OECD-Leitprinzipien.

Die Berichtspflicht nach ESRS S2 umfasst darüber hinaus die Beschreibung der Maßnahmen oder Initiativen, die ein Unternehmen verfolgt, um negative Auswirkungen auf Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette zu verhindern, abzumildern oder zu beheben sowie um positive Auswirkungen auf die Arbeitskräfte zu erzielen. Weiter werden Erläuterungen bzgl. des Umgangs mit wesentlichen Risiken sowie der Nutzung von Chancen und eine zusammenfassende Beschreibung der Aktionspläne und Mittel in Bezug auf das Management von Auswirkungen, Risiken und Chancen gefordert.

Die Anwendungsanforderungen geben Beispiele für Risiken und Chancen. Sie zeigen dabei Risiken auf im Zusammenhang mit den Auswirkungen auf das Unternehmen oder Abhängigkeiten des Unternehmens in Bezug auf Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette, wie Reputationsrisiken, rechtliche Folgen durch Zwangs- oder Kinderarbeit in der Wertschöpfungskette oder Unterbrechungen des Geschäftsbetriebs durch Einschränkungen in der Lieferkette durch eine Pandemie. Als mögliche Chancen werden z. B. Marktdifferenzierung und größere Kundenanziehung durch die Gewährleistung angemessener Arbeitsbedingungen und Löhne genannt.

4. Parameter und Ziele

Es soll angegeben werden, inwieweit das Unternehmen zeitgebundene und ergebnisorientierte Ziele zwecks Verringerung negativer Auswirkungen, Förderung positiver Auswirkungen und Management der wesentlichen Risiken und Chancen im Zusammenhang mit Arbeitskräften in der Wertschöpfungskette festlegt. Dabei sind das Verfahren zur Zielfestlegung, die Nachverfolgung der Zielerreichung und der Umgang mit festgestellten Verbesserungsmöglichkeiten darzustellen, inkl. der Angabe, ob und wie das Unternehmen dabei mit den Arbeitnehmern in der Wertschöpfungskette bzw. deren Stellvertretern zusammengearbeitet hat.

Bei der Festlegung der Ziele lässt der ESRS S2 einen hohen Freiheitsgrad. Hinsichtlich der formalen Gestaltung der Ziele enthalten die Anwendungsanforderungen jedoch zahlreiche Empfehlungen. Diese Empfehlungen zielen insbesondere auf die Klarheit der Angaben und die Transparenz bzgl. der Bemühungen des Unternehmens ab.

Parameter sind in ESRS S2 nicht vorgegeben. Hier kann sich das Unternehmen an Markt- und Wettbewerberanalysen oder den Parametern des ESRS S1 orientieren.

Dipl.-Kfm. Anna Margareta Gehrs

Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin, Sustainability-Auditor IDW

+49 521 2993176

Sebastian Behrens, B.Sc.

Steuerberater, Sustainability-Auditor IDW

+49 521 29934177

Unsere Autorinnen und Autoren des Beitrags beraten Sie gerne zu Ihren persönlichen Fragen. Mehr zum Bereich:

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