Themenfelder

G. ESRS G1 Governance-Standard

Veröffentlicht: 22. März 2024 aus Rundschreiben Nachhaltigkeit 3-2024
Von: Anna Margareta Gehrs, Sebastian Behrens

Neben den E- und S-Standards enthält die europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung auch einen Standard zur Governance-Berichterstattung. Auf Basis diese G-Standards sind Angaben zum Geschäftsgebaren zu machen. Wie die E- und S-Standards enthält dieser Standard ergänzende Angaben zu bereits in ESRS 2 geforderten Angabepflichten, aber auch über den ESRS 2 hinausgehende Angaben.

 

ESRS G1 rückt die Themenkomplexe Geschäftsethik und Unternehmenskultur, Management der Beziehungen zu Lieferanten (einschließlich gelebter Zahlungspraktiken) sowie Tätigkeiten und Verpflichtungen des Unternehmens im Zusammenhang mit der Ausübung politischen Einflusses in den Fokus. Des Weiteren geht es um den Schutz von Hinweisgebern und den Tierschutz, aber auch um Angaben, in welcher Form sich ein Unternehmen gegen Korruption und Bestechung einsetzt. Bei den Erläuterungen besteht eine große inhaltliche Nähe zu den Regelungen zur Corporate-Governance-Erklärung von börsennotierten Unternehmen.

Auch wenn einzelne Aspekte mit potenzieller Relevanz auf die Unternehmenspolitik bereits durch Angaben auf Basis anderer ESRS abgedeckt werden, wird durch den G-Standard die Berichtspflicht im Hinblick auf Governance-Themen auf diejenigen Unternehmen ausgedehnt, auf die z. B die Regelungen des Corporate Governance Kodex keine Anwendung finden. Die Berichterstattung soll sich aber auf die wesentlichen Angaben beschränken, um die Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht unnötig aufzublähen. Daher sind die Anforderungen des ESRS G1 vorbehaltlich der Ergebnisse der vom berichtspflichtigen Unternehmen durchzuführenden Wesentlichkeitsanalyse anzuwenden, d. h., der G1 unterliegt wie auch die S-Standards dem strengen Wesentlichkeitsvorbehalt. An dieser Stelle sei nochmals auf das Prüfschema in ESRS 1 Anlage E hingewiesen, das grundsätzlich für alle Themenstandards anzuwenden ist. Unabhängig von Wesentlichkeitsüberlegungen können sich jedoch eventuell Angaben aus anderen EU-Rechtsvorschriften ergeben.

1. Governance und Organisation

In ESRS G1.5 werden Offenlegungspflichten verankert, die die Rolle der einzelnen Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane und deren Fachwissen beinhalten. Hierbei soll ein Verständnis dafür geschaffen werden, wie die Aufgaben und Zuständigkeiten innerhalb der Organe hinsichtlich der Steuerung und Überwachung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen im Zusammenhang mit der Unternehmenspolitik verteilt sind. Damit sollen die Vorgaben des ESRS 2 GOV-1 konkretisiert werden.

Darüber hinaus sind nach ESRS G1.7 von den Unternehmen deren Strategien in Bezug auf Aspekte der Unternehmenspolitik anzugeben sowie zu erläutern, wie diese ihre Unternehmenskultur fördern. Im Detail sind gemäß ESRS G1.10 folgende Angaben in die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufzunehmen:

  • Mechanismen zur Ermittlung von Bedenken hinsichtlich rechtswidriger Verhaltensweisen
  • vorhandene oder geplante Strategien zur Bekämpfung von Korruption oder Bestechung
  • Meldekanäle für Hinweisgeber sowie die Behandlung von Hinweisenden
  • Strategie für organisationsinterne Schulungen zur Unternehmenspolitik

In diesem Zusammenhang sind auch Angaben zum sogenannten „Tone at the Top“ wichtig, da durch diesen die Werte und die Strategie des Unternehmens bestimmt sowie den Mitarbeitenden Leitlinien für den Umgang mit sensiblen Themen wie Umwelt, Unternehmensführung und Soziales vorgegeben werden. Bei der erstmaligen Umsetzung des ESRS G1-1 kann es helfen, die Standards der Global Reporting Initiative (GRI-Standards) als Orientierung heranzuziehen. Eine Erfüllung der Offenlegungsanforderungen kann bereits mit einem Verweis auf die Angaben in der Erklärung zur Unternehmensführung erreicht werden.

2. Strategie und Geschäftsmodell

Hierzu gibt es keine gesonderten Angabepflichten in ESRS G1.

3. Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen

Nach ESRS G1.6 sind die Verfahren zur Ermittlung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen im Zusammenhang mit der Unternehmenspolitik zu beschreiben. Ziel der Offenlegungspflicht gemäß ESRS G1.6 ist es, externen Berichtsadressaten ein Verständnis darüber zu vermitteln, wie das Unternehmen seine Auswirkungen, Risiken und Chancen ermittelt und bewertet und welche davon wesentlich sind.

Wichtig ist dabei, dass ein Unternehmen die damit verbundenen Risiken unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells und der Aktivitäten, des geografischen Standorts der Aktivitäten und der inhärenten Risiken von Korruption, Bestechung und ähnlichen Verhaltensweisen bewertet. Dabei sollte die Risikobewertung die Risiken berücksichtigen, die von allen Geschäftspartnern in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette ausgehen (ESRS G1.BC8).

Die Angabepflicht zum Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen umfasst Informationen zum System der Aufdeckung und Verhinderung von Vorfällen sowie die Untersuchung sowie Verfolgung von Anschuldigungen im Zusammenhang mit Korruption und Bestechung inkl. zugehöriger Schulungen des Unternehmens (ESRS G1.16). Zielsetzung der Angabe ist es, Transparenz hinsichtlich der wichtigsten Verfahren des Unternehmens zur Verhinderung, Untersuchung oder Verfolgung von Anschuldigungen und Vorfällen zu schaffen.

Folgende Informationen hat die Angabe des Unternehmens gemäß ESRS G1.18 zu enthalten:

  • Beschreibung derjenigen Verfahren, die in puncto Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung von Vorwürfen oder Vorfällen von Korruption und Bestechung bereits im Einsatz sind (ESRS G1.18 a))
  • Beschreibung involvierter Untersuchungsbeauftragter und der „Management-Kette“ in Abhängigkeit von der Organisationsstruktur (ESRS G1.BC25)
  • Beschreibung der Verfahren zur Übermittlung der Ergebnisse (= Resultate der Risiko- und Compliance-Managementprozesse) an die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane (ESRS G1.18 c))

Darüber hinaus wird mit der Angabepflicht des ESRS G1-3 auf die GRI-Angabe 2-26 „Verfahren für die Einholung von Ratschlägen und die Meldung von Anliegen“ verwiesen. Hierbei ist offenzulegen, wie Einzelpersonen Rat einholen und Meldungen über Anliegen hinsichtlich eines verantwortungsvollen Geschäftsgebarens machen können.

Sollte das Unternehmen keine entsprechenden Verfahren im Sinne der Angabepflicht gemäß ESRS G1.16 etabliert haben, sollen dieser Umstand und falls zutreffend die Pläne für eine Einführung offengelegt werden.

Zusätzlich ist gemäß ESRS G1-3 eine Angabepflicht zu bestimmten Informationen zu Schulungen betreffend Antikorruption und Antibestechung (ESRS G1.BC28) vorzunehmen, da diese als essenziell für die Wissenserweiterung im Zusammenhang mit der Unternehmens­politik anzusehen sind.  

4. Parameter und Ziele  

Gemäß ESRS G1-4 sind Informationen in Bezug auf Fälle von Korruption oder Bestechung während des Berichtszeitraums zu machen (ESRS G1.22). Hierbei handelt es sich um quantitative Ergänzungen zu den in ESRS G1-3 dargelegten Angaben. Zu nennen sind hierbei u. a. Informationen zu der Anzahl der Verurteilungen, die Höhe der Geldstrafen für Verstöße gegen Korruptions- und Bestechungsvorschriften (ESRS G1.24 a)) sowie alle ergriffenen Maßnahmen zum Vorgehen gegen Verstöße gegen Verfahren und Standards zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung (ESRS G1.24 b)). Eine Angabepflicht liegt jedoch nur vor, wenn das Unternehmen oder seine Beschäftigten direkt an den betreffenden Verstößen beteiligt sind.

ESRS G1-5 umfasst darüber hinaus Informationen zu den Tätigkeiten und Verpflichtungen eines Unternehmens im Zusammenhang mit der Ausübung von politischem Einfluss einschließlich eventueller Lobbyt­ätigkeiten in Bezug auf sich hieraus ergebende wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen (ESRS G1.27). Hierdurch soll ein Verständnis hinsichtlich jener Risiken erlangt werden, die enge Beziehungen und Interaktionen zwischen Politik und Wirtschaft mit sich bringen können (ESRS G1.BC40). Dieses wird zusätzlich verstärkt durch die Verpflichtung zur Offenlegung von Personen in Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorganen, die eine vergleichbare Position in den beiden Jahren zuvor in der öffentlichen Verwaltung o. Ä. innehatten.

Nach ESRS G1-6 wird die Bereitstellung von Informationen hinsichtlich der Zahlungspraktiken des Unternehmens gefordert. Hierbei steht insbesondere der Zahlungsverzug an kleine und mittlere Unternehmen im Fokus (ESRS G1.31). Das Ziel dieser Angabepflicht besteht darin, Einblicke in die vertraglichen Zahlungsbedingungen und die tatsächliche Zahlungsperformance zu erhalten. Um den Aufwand der Nachhaltigkeitsberichterstattung diesbezüglich zu minimieren, sind die Informationen auf die Hauptkategorien von Lieferanten des Unternehmens beschränkt (ESRS G1.33 b) in Verbindung mit ESRS G1.BC48).

Dipl.-Kfm. Anna Margareta Gehrs

Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin, Sustainability-Auditor IDW

+49 521 2993176

Sebastian Behrens, B.Sc.

Steuerberater, Sustainability-Auditor IDW

+49 521 29934177

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ESRS S1–S4 Sozialstandards und G1 Governance

 

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