EU-Taxonomie

Funktionslogik & Prüfschema der EU-Taxonomiefähigkeit und Taxonomiekonformität

Veröffentlicht: 5. September 2023 aus Rundschreiben Nachhaltigkeit 2-2023
Von: Anna Margareta Gehrs, Sebastian Behrens

Die Analyse der Anwendbarkeit der EU-Taxonomie-Regelungen sowie des Umfangs der Berichtspflicht für ein Unternehmen erfolgt in einem dreischrittigen Prozess. Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob die Tätigkeit eines Unternehmens überhaupt taxonomiefähig ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie in einem der oben genannten delegierten Rechtsakte ausdrücklich genannt wird. Die EU-Kommission hat die Auswahl der Wirtschaftssektoren und innerhalb dieser der Wirtschaftstätigkeiten bewusst so vorgenommen, dass gleich zu Beginn vor allem Tätigkeiten einbezogen werden, die für einen Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Durch diese Vorgehensweise sollte bereits im ersten Schritt ein möglichst großer Effekt erzielt werden.

In zwei weiteren Schritten wird geprüft, ob die einem Umweltziel konkret zugeordnete Tätigkeit die in dem delegierten Rechtsakt vorgegebenen technischen Bewertungskriterien einhält sowie keine wesentliche Beeinträchtigung für eines der fünf weiteren Ziele verursacht und ob im Unternehmen insgesamt gewisse Mindeststandards bezüglich Arbeitsschutz und Menschenrechte eingehalten werden. Nur wenn diese drei Prüfschritte erfolgreich durchlaufen sind, können taxonomiefähige Tätigkeiten als taxonomiekonform bewertet werden.

Für alle taxonomiekonformen Tätigkeiten sind dann Angaben zu den drei festgelegten KPIs, also „Umsatzerlöse“, „CapEx“ und „OpEx“, für das gesamte Unternehmen bzw. den Konzern zu ermitteln und offenzulegen.

Die Phasen im Prozess der EU-Taxonomie werden in der folgenden Abbildung dargestellt und die einzelnen Schritte dann im Detail erläutert:

 

 

1. Schritt: Prüfung der Taxonomiefähigkeit

Die Überprüfung der Taxonomiekonformität beginnt mit der Einordnung der Tätigkeit. Ist diese ausdrücklich in einem der delegierten Rechtsakte unter den den einzelnen Sektoren zugeordneten Tätigkeiten zu finden, spricht man von der Taxonomiefähigkeit.

Die Anhänge zu den delegierten Rechtsakten führen bislang für folgende Sektoren jeweils diverse Wirtschaftstätigkeiten auf:

Zu jedem Sektor gibt es genau spezifizierte Wirtschaftstätigkeiten. Bislang wurden in den delegierten Rechtsakten über 130 Tätigkeiten ausdrücklich genannt. So finden sich z. B. in Anhang I zum „Delegierten Rechtsakt Klima“ in der Kategorie „Baugewerbe und Immobilien“ sieben Wirtschaftstätigkeiten vom Neubau über die Installation und Wartung bis zum reinen Erwerb von Gebäuden. Der Makrosektor „Verkehr“ umfasst als weiteres Beispiel insgesamt 17 Tätigkeiten, zu denen u. a. die Personenbeförderung und die Infrastruktur für einen CO2-armen Straßenverkehr gehören.

Um eine Zuordnung vornehmen zu können, gibt es in den Anhängen zu den Rechtsakten neben einer Beschreibung der Wirtschaftstätigkeit auch die Nennung von einem oder mehreren NACE-Codes, unter denen die beschriebene Wirtschaftstätigkeit erfasst werden kann. Diese NACE-Codes haben jedoch rein indizierenden Charakter. Die Zuordnung zu einem genannten NACE-Code ist also keine Voraussetzung zur Klassifizierung einer Tätigkeit als taxonomiefähig.

Tätigkeiten gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung lassen sich grundsätzlich in drei übergeordnete Kategorien einordnen. Die jeweilige Kategorie ergibt sich aus den Anhängen der delegierten Rechtsakte und ist auch in den oben bereits erwähnten Meldebögen mit anzugeben. Die Taxonomie unterscheidet neben originär nachhaltigen Tätigkeiten noch sog. ermöglichende und Übergangstätigkeiten.

Ermöglichend ist eine Tätigkeit, die es einer anderen Tätigkeit ermöglicht, einen Beitrag zu einem Umweltziel zu leisten. So ist z. B. die Herstellung von wiederaufladbaren Batterien für den Verkehr eine solche Tätigkeit, da sie nur mittelbar auf die Umweltziele einzahlt. Ebenso ist die Herstellung von Windrädern eine ermöglichende Tätigkeit für die Herstellung von Energie durch Windkraft.

Übergangstätigkeiten sind Tätigkeiten, für die es noch keine CO2-armen Alternativen gibt, die jedoch im Hinblick auf Treibhausgasemissionen in dem betreffenden Sektor die beste Leistung erbringen und einerseits die Entwicklung und den Einsatz von CO2-armen Alternativen nicht behindern und andererseits in Anbetracht der wirtschaftlichen Lebensdauer von CO2-intensiven Vermögenswerten nicht zu sog. Lock-in-Effekten bei diesen Vermögenswerten führen. Diese Übergangstätigkeiten können auch stufenweise ausgestaltet sein. Beispielsweise kann die Beförderung mit bestimmten Personenkraftwagen laut Anhang I zum „Delegierten Rechtsakt Klima“ bis 2025 bei einem Ausstoß von weniger als 50 g CO2/km grundsätzlich noch taxonomiekonform sein, während hingegen ab 2026 gar keine CO2-Emissionen mehr ausgestoßen werden dürfen.
 

2. Schritt: Prüfung der technischen Bewertungskriterien sowie DNSH

Das Herzstück der Anhänge zum „Delegierten Rechtsakt Klima“ und zum „Delegierten Rechtsakt Umwelt“ sind die technischen Bewertungskriterien (TBK), nach denen sich bestimmt, ob eine Wirtschaftstätigkeit nicht nur taxonomiefähig, sondern auch taxonomiekonform sein kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob die Wirtschaftstätigkeit zu einem oder mehreren Umweltzielen einen wesentlichen Beitrag leistet. Ist dies der Fall, ist weiterhin zu untersuchen, ob die Tätigkeit nicht zu einer Beeinträchtigung eines der anderen Umweltziele führt. Diese „Do No Significant Harm“-Kritierien (DNSH-Kriterien) sollen sicherstellen, dass Fortschritte in Bezug auf ein Umweltziel nicht zulasten anderer Ziele gemacht werden, und sind kumulativ mit den Kriterien für einen wesentlichen Beitrag zu erfüllen. Vielfach nehmen die TBK Bezug auf andere EU-Rechtsvorschriften oder Anlagen zu den jeweiligen Anhängen. Aufgrund dieser Verweise auf andere Richtlinien und gesetzliche Vorgaben ist insbesondere die Überprüfung der TBK sehr aufwendig.

Zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen des Umweltziels „Anpassung an den Klimawandel“ ist das DNSH-Kriterium die Durchführung einer Klimarisiko- und Vulnerabilitätsbewertung, die in der Anlage A zum Anhang I des „Delegierten Rechtsaktes Klima“ beschrieben wird. Ziel ist die Einführung eines systematischen Managements physischer Klimarisiken, damit die Anpassung an den Klimawandel nicht vernachlässigt wird. Um die Umsetzung dieser Vorgabe zu erleichtern, hat das Umweltbundesamt einen Leitfaden für die Durchführung einer solchen Analyse entwickelt.

Beispiel für technische Bewertungskriterien: Herstellung von Fahrzeugen

Tätigkeitsbeschreibung:

  • Herstellung, Reparatur, Wartung, Nachrüstung, Umnutzung und Aufrüstung von CO2-armen Fahrzeugen (Ziffer 3.3 im Anhang I des delegierten Rechtsaktes 2021/2139)
    ✓ Taxonomiefähige Wirtschaftstätigkeit
  • Zuordnung zu NACE-Codes möglich – namentlich im Rechtsakt benannt
  • ermöglichende Tätigkeit im Sinne der TaxVO

TBK für einen wesentlichen Beitrag zum Umweltziel 1 (Klimaschutz) für als Pkw eingestufte Fahrzeuge der Klassen M1 und N1 der Verordnung 2018/858:

  • gemäß Buchstabe f Ziffer i bis einschließlich 31.12.2025: spezifische CO2-Emissionen i. S. v. Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe h der Verordnung 2019/631 des Europäischen Parlaments und des Rates von weniger als 50 g CO2/km (emissionsarme und emissionsfreie Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge)
  • gemäß Buchstabe f Ziffer ii ab dem 1.1.2026: spezifische CO2-Emissionen i. S. v. Artikel 3 Abs. 1 Buchstabe h der Verordnung (EU) 2019/631 von null

„DNSH“-Kriterien bezüglich der weiteren Umweltziele:

  • Umweltziel 2: Tätigkeit erfüllt Kriterien der Klimarisiko- und Vulnerabilitätsbewertung
  • Umweltziel 3: keine Umweltschädigung gemäß Anlage B
  • Umweltziel 4: u. a. Unterstützung der Wiederverwendung, Design für hohe Haltbarkeit, Recyclingfähigkeit, leichte Demontage, im Herstellungsprozess wird Recycling Vorzug vor Entsorgung gegeben
  • Umweltziel 5: Herstellung führt nicht zur Verwendung oder Inverkehrbringung von in Anlage C genannten Stoffen
  • Umweltziel 6: Umweltverträglichkeitsprüfung laut Anlage D wurde durchgeführt
     

3. Schritt: Einhaltung des sozialen Mindestschutzes

Sofern die Überprüfung der TBK positiv abgeschlossen wurde und die Prüfung des DNSH-Prinzips keine Verletzung anderer Ziele zum Ergebnis hatte, ist die Überprüfung eines gewissen sozialen Mindestschutzes notwendig. Nur wenn dieser auch erfüllt ist, kann von einer taxonomiekonformen Wirtschaftstätigkeit gesprochen werden.

Die EU-Taxonomie-Verordnung sieht vor, dass folgende Standards und Leitlinien im Hinblick auf Mindeststandards zum Arbeitsschutz sowie zur Einhaltung der Menschenrechte einzuhalten sind:

  • OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte
  • Grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit der ILO
  • Internationale Charta der Menschenrechte

Je nach Reifegrad des Unternehmens hinsichtlich einer nachhaltigen Unternehmensaktivität und -kultur kann es empfehlenswert sein, die Überprüfung des sozialen Mindestschutzes der Prüfung der Taxonomiefähigkeit voranzustellen, da eine Taxonomiekonformität ohne die Einhaltung der vorgenannten Prinzipien nicht vorliegen kann. Die Einhaltung wird typischerweise auf Unternehmensebene beurteilt, sodass angenommen wird, dass dieser Mindestschutz auch auf Ebene einer einzelnen Wirtschaftstätigkeit besteht. Ein expliziter Nachweis in Bezug auf eine spezifische Tätigkeit ist nicht erforderlich.

Dipl.-Kfm. Anna Margareta Gehrs

Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin, Sustainability-Auditor IDW

+49 521 2993176

Sebastian Behrens, B.Sc.

Steuerberater, Sustainability-Auditor IDW

+49 521 29934177

Unsere Autorinnen und Autoren des Beitrags beraten Sie gerne zu Ihren persönlichen Fragen. Mehr zum Bereich:

News

 

Rundschreiben
Nachhaltigkeit 2-2023

Veröffentlicht: 5. September 2023

EU-Taxonomie

alle Artikel

Kostenloser ABO-SERVICE für Rundschreiben

Möchten Sie immer gut informiert sein? Dann nehmen Sie unser Serviceangebot für Rundschreiben in Anspruch. Einblicke in steuerliche und rechtliche Veränderungen mit Perspektiven für neue Gestaltungsmöglichkeiten.

Abo bestellen