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Wachstumschancengesetz: Streich­ung der Zinshöhenschranke aber Verschärfungen für grenzüberschrei­tende Finanzierungsbeziehungen

Veröffentlicht: 23. November 2023
Von: Prof. Dr. Oliver Middendorf, Florian Weeg, Erik Niermann

Der bisherige Regierungsentwurf für das Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) sah die Einführung einer Zinshöhenschranke vor (§ 4l ESTG-E), eine Abzugsbeschränkung für Zinszahlungen zwischen nahestehenden Unternehmen, soweit die Zinsaufwendungen den um zwei Prozentpunkte erhöhten Basiszinssatz im Sinne des § 247 BGB übersteigen.

Stattdessen sollen nun neue Sonderregelungen in § 1 Absätze 3d, 3e AStG Berücksichtigung finden, welche den Fremdvergleich bei Finanzierungsbeziehungen konkretisieren.

 

Die geplanten Gesetzesergänzungen im Außensteuergesetz betreffen auf der einen Seite eine Konkretisierung des Fremdvergleichs bei Finanzierungsbeziehungen (§ 1 Absatz 3d AStG-E) sowie andererseits eine Abgrenzung funktions- und risikoarmer Finanzierungsdienstleistungen (§ 1 Absatz 3e AStG-E).

a)    Konkretisierung des Fremdvergleichs bei Finanzierungsbeziehungen

Nach dem verabschiedeten Wachstumschancengesetz soll es gemäß § 1 Absatz 3d AStG-E nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, wenn ein aus einer gruppeninternen grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehung resultierender Aufwand die Einkünfte eines inländischen Steuerpflichtigen gemindert hat und dieser nicht glaubhaft machen kann…

  • dass er den Kapitaldienst für die gesamte Laufzeit von Anfang an hätte erbringen können und
  • die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet wird.

Darüber hinaus wird eine Abweichung vom Fremdvergleichsgrundsatz für diejenigen Fälle gesetzlich bestimmt, in denen der zu entrichtende Zinssatz den Refinanzierungszinssatz der Gesamt-Unternehmensgruppe übersteigt, der auf Basis eines Gruppenratings gegenüber fremden Dritten Anwendung finden würde. Für Steuerpflichtige besteht allerdings die Möglichkeit eines Gegenbeweises anhand eines abgeleiteten Einzelratings.

b)    Abgrenzung funktions- und risikoarmer Finanzierungsdienstleistungen

Nach der flankierenden Regelung des § 1 Absatz 3e AStG-E soll regelmäßig von einer funktions- und risikoarmen Dienstleistung auszugehen sein, sofern ein Unternehmen einer multinationalen Unternehmensgruppe die Finanzierungsbeziehung nur vermittelt oder es sich um konzernintern weitergeleitete Finanzierungen handelt. Hiervon ist auch die Tätigkeit einer zentralen Finanzierungsgesellschaft in der Unternehmensgruppe umfasst. Steuerpflichtige haben jedoch die Möglichkeit anhand einer Funktions- und Risikoanalyse nachzuweisen, dass es sich nicht um eine funktions- und risikoarme Dienstleistung handelt.

c)    Rechtsfolge

Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen den Fremdvergleich ist jeweils auf eine Einkünftekorrektur in Gestalt einer (teilweisen) Nichtabzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen auf Ebene des inländischen Steuerpflichtigen gerichtet.

Die Ergänzung des § 1 AStG-E hatte der Bundesrat bereits zu einem früheren Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens zum Wachstumschancengesetz gefordert, mit dem Ziel einer Angleichung der nationalen Gesetzesvorschriften an das Kapitel X der OECD-Verrechnungspreisleitlinien.
 

Einordnung der Neuregelung

Mit der geplanten Ergänzung des § 1 AStG-E um die Absätze 3d und 3e im Rahmen des Wachstumschancengesetzes bleibt das Thema Unternehmensfinanzierung trotz zuletzt umfassender Rechtsprechung des BFH weiterhin im Fokus der steuerlichen Betrachtung.

Zwar ist begrüßenswert, dass – im Unterschied zu der zuvor verfolgten Zinshöhenschranke – von den Ergänzungen des § 1 AStG ausschließlich grenzüberschreitende Inbound-Finanzierungen und keine rein nationalen Sachverhalte mehr betroffen sind. Darüber hinaus ist zu begrüßen, dass angestrebt wird, die deutschen Verrechnungspreisvorschriften den international anerkannten OECD-Verrechnungspreisleitlinien noch stärker anzunähern.

Problematisch ist jedoch, dass mit den neuen Regelungen der Absätze 3d und 3e in § 1 AStG-E eine ausdrückliche gesetzliche Ungleichbehandlung von Inbound- und Outbound-Fällen droht. Während der Nachweis einer Schuldentragfähigkeit sowie wirtschaftlichen Finanzierungsnotwendigkeit praktisch wohl häufig erbracht werden kann, stellt das zusätzlich in § 1 Absatz 3d AStG-E geregelte Erfordernis eines Gruppen- bzw. Einzelratings Steuerpflichtige in Zukunft vor umfassende Dokumentationsanforderungen. Bislang unklar ist auch, ob die gesetzliche Konkretisierung auch bestehende Finanzierungsverhältnisse oder lediglich neue Sacherhalte ab dem Zeitraum 2024 erfasst.

Hinsichtlich des § 1 Absatz 3e AStG-E erscheint zudem fraglich, ob es tatsächlich mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien im Einklang steht, substanzschwächere Finanzierungsgesellschaften – wie vom BMF gefordert – vorzugsweise nach der Kostenaufschlagsmethode zu vergüten. Die geforderte Vorlage einer Funktions- und Risikoanalyse birgt jedenfalls die Gefahr weiterer Streitigkeiten zwischen Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung.

Wir empfehlen das Gesetzgebungsverfahren weiter genau zu beobachten und konzerninterne grenzüberschreitende Finanzierungsverhältnisse nach dessen Abschluss einer genauen Prüfung vor dem Hintergrund des neuen § 1 AStG zu unterziehen.

Dipl.-Kfm. Prof. Dr. Oliver Middendorf

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner

+49 40 822169034

Florian Weeg, M.Sc.

Steuerberater, Fachberater für Unternehmensnachfolge (DStV e.V.), Fachberater für internationales Steuerrecht

+49 521 29934106

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