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Erleichterung bei der Unternehmensnachfolge­planung: Eingeschränkte Anwendung des soge­nannten 90 %-Einstiegs­tests bei gewerblich tätigen Handels­unternehmen

Veröffentlicht: 18. Dezember 2023
Von: Niels Doege, Lukas Beck, Christina Freifrau von Eckardstein

Im Rahmen der Übertragung von Unternehmen mit einem hohen Bestand an Finanzmitteln besteht regelmäßig das Risiko, dass diese den sog. 90 %-Einstiegstest nach § 13 Abs. 2 S. 2 ErbStG nicht bestehen. In diesem Fall können die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen vollständig nicht gewährt werden („Fallbeilwirkung“). Dem kann in der Praxis kaum und wenn nur mit einem hohen Gestaltungsaufwand begegnet werden. Das jüngst veröffentlichte BFH-Urteil vom 13.09.2023 bringt diesbezüglich Erleichterungen.

 

Bei der Übertragung von betrieblichem Vermögen kommen erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigungen von vornherein nur dann in Betracht, wenn – vereinfacht ausgedrückt – der Wert des übergehenden unproduktiven Verwaltungsvermögens 90 % des Wertes des gesamten übergehenden betrieblichen Vermögens unterschreitet (§ 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG, sog. 90 %-Einstiegstest). Problematisch daran ist, dass der Gesetz nur das schädliche Verwaltungsvermögen (brutto) ansetzt und einen Abzug von Schulden nicht zu lässt, aber das schädliche Verwaltungsvermögen ins Verhältnis zum Unternehmenswert (netto) und damit unter Berücksichtigung von Schulden ins Verhältnis setzt.

Diese gesetzliche Entscheidung wurde in der steuerrechtlichen Literatur schon lange kritisiert, weil sie insbesondere bei gewerblich tätigen Handelsunternehmen, die aufgrund ihres Geschäftsmodells einen hohen Bestand an zum Verwaltungsvermögen zählenden Finanzmitteln haben (insbesondere Forderungen aus Lieferungen und Leistungen), regelmäßig zu einem Nicht-Bestehen des 90 %-Einstiegstests führt. Dies wurde zurecht als unangemessen und ggf. sogar verfassungswidrig angesehen. Dieser Kritik schloss sich schließlich auch das Finanzgericht Münster mit Urteil vom 24.11.2021 an und entschied, dass bei der Übertragung von Unternehmen, deren Hauptzweck eine gewerblichen Tätigkeit ist, der 90 %-Einstiegstest nach § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG nicht anzuwenden sei.

Mit Urteil vom 13.09.2023 nahm nun erstmals der BFH zu dieser Thematik Stellung und bestätigte das Urteil des Finanzgerichts Münster jedenfalls in seinem wesentlichen Ergebnis. Zwar entschied der BFH, dass der 90-%-Einstiegstest bei der Übertragung von originär gewerblichen Unternehmen weiterhin anzuwenden sei, indes könne entgegen dem Wortlaut des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens für die Zwecke des 90%-Einstiegstests eine Verrechnung mit den betrieblichen veranlassten Schulden erfolgen. Eine solche „eingrenzende Auslegung“ des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG gebiete die gesetzliche Systematik sowie der Sinn und Zweck der Regelung; sie sei außerdem vom Willen des Gesetzgebers gedeckt.

Der BFH sieht zwar, dass das von ihm gefundene Auslegung im Einzelfall dazu führen könnte, dass Unternehmen, die der Gesetzgeber aufgrund ihrer hohen Verwaltungsvermögensquote erb- oder schenkungsteuerrechtlich nicht begünstigen wollte, zukünftig versuchen könnten, sich durch missbräuchliche Gestaltung die Begünstigungen zu erschleichen. Dem könne aber durch die Anwendung des § 42 AO begegnet werden.

Fazit

Das Urteil des BFH ist zu begrüßen, da es die evidenten unangemessenen und gleichheitswidrigen Rechtsfolgen, die sich bei der wortlautgetreuen uneingeschränkten Anwendung des 90 %-Einstiegstests (Brutto-Verwaltungsvermögen / Netto-Unternehmenswert) ergeben können, korrigiert. In der Beratungspraxis wird das Urteil bei gewerblich tätigen Handelsunternehmen zu einer merklichen Erleichterung von Unternehmensnachfolgeplanungen führen.

Niels Doege

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Partner

+49 521 2993134

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