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Wachstumschancengesetz – Wenige Chancen für Immobilienunterneh­men?!

Veröffentlicht: 13. September 2023 aus Steuern & Wirtschaft aktuell 3-2023
Von: Prof. Dr. Oliver Middendorf, Mike Rickermann

Das Wachstumschancengesetz wurde von der Bundesregierung als Reaktion auf mehrere wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen eingeführt. Es zielt darauf ab, die ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie und des russischen Überfalls auf die Ukraine zu bewältigen. Darüber hinaus berücksichtigt es die Herausforderungen der Dekarbonisierung und des demografischen Wandels. Das Gesetz soll die Rahmenbedingungen für mehr Wachstum, Investitionen und Innovationen verbessern, ohne zusätzlichen Preisdruck zu erzeugen.

Folgende Änderungen sind insbesondere für Immobilienunternehmen von Interesse:

 

1. Verschärfung beim steuerlichen Zinsausgabenabzug


1.1 Zinsschranke

Bereits jetzt werden die maximal für steuerliche Zwecke abzugsfähigen Zinsaufwendungen durch die Zinsschranke eingeschränkt.

Soweit die Zinsaufwendungen den Zinsertrag übersteigen (sog. Nettozinsaufwand) ist dieser Nettozinsaufwand eines Betriebs grundsätzlich nur in Höhe von 30% des steuerlichen EBITDA (sog. verrechenbares EBITDA) abzugsfähig.

Von dieser Zinsausgabenbeschränkung gibt es jedoch drei Ausnahmen:

  • die Regelung einer Freigrenze von EUR 3 Mio.,
  • die sog. Stand-alone-Klausel und
  • den sog. EK-Quoten Escape.

Sämtliche Ausnahmeregelungen werden im Rahmen des Wachstumschancengesetzes erheblich eingeschränkt, wodurch die Beschränkung des steuerlichen Zinsausgabenabzugs zum Regelfall wird. Bestehende Finanzierungsstrukturen sollten deshalb überprüft werden.

  • 1.1.1 Freigrenze
    Sofern der Nettozinsaufwand eines Betriebs die Freigrenze von EUR 3 Mio. nicht übersteigt, ergibt sich keine Beschränkung des Zinsausgabenabzugs. Dies hat bisher in den allermeisten Fällen dazu geführt, dass sich – auch bedingt durch die Niedrigzinsphase– praktisch keine Zinsausgabenabzugsbeschränkung ergeben hat. Gerade im Immobilienkonzernen werden Objekte oftmals in separaten Gesellschaften (“PropCos”) gehalten. Bisher konnte grds. jede PropCo die Freigrenze für ihren Betrieb beanspruchen.

    Durch die Einführung einer sog. Anti-Fragmentierungsregelung   sollen künftig mehrere PropCos einer Unternehmensgruppe in einen Betrieb zusammengefasst und die 3 Mio. EUR Freigrenze nur noch einmal gewährt werden. Die Freigrenze ist dafür auf die einzelnen PropCos nach dem Verhältnis ihrer Nettozinsaufwendungen aufzuteilen. Einbezogen in diese Gruppenbetrachtung werden alle Gesellschaften, die unter einer einheitlichen Leitung stehen. Dies stellt eine gravierende Verschärfung der bisherigen Regelungen dar. Dadurch wird unseres Erachtens die Begrenzung des steuerlichen Zinsabzugs im Immobilienkonzern zum Regelfall.
     
  • 1.1.2 Stand-Alone-Klausel
    Die Beibehaltung des vollständigen Zinsausgabenabzugs nach der neugefassten sog. Stand-alone-Klausel dürfte in Immobilienstrukturen in der Regel kaum Bedeutung erlangen.

    Die Ausnahme greift bereits dann nicht, wenn (mindestens) ein Gesellschafter eine Beteiligung von mindestens 25% an der Gesellschaft hält, die den Zinsausgabenabzug beanspruchen möchte. Unter anderem auch typische Joint Venture Strukturen fallen damit beispielsweise in der Regel aus dem Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung raus.
     
  • 1.1.3 EK-Quoten-Escape
    Eine Ausnahme von der Zinsausgabenabzugsbeschränkung kann sich für Betriebe ergeben, die zu einem Konzern gehören sofern sie den sog. Eigenkapitalvergleich bestehen. Dies gelingt, wenn die Eigenkapitalquote des Betriebs nicht geringer als die Eigenkapitalquote des Konzerns ist, wobei eine Unterschreitung um bis zu zwei Prozentpunkten noch unschädlich ist.

    Verschärfungen ergeben sich aus dem Wachstumschancengesetz bspw. daraus, dass der Betrieb – anders als bisher – tatsächlich in einem Konzernabschluss konsolidiert werden muss.

    Zudem ist für konzernzugehörige Kapitalgesellschaften – trotz Bestehens des Eigenkapitalvergleichs – nur der beschränkte Zinsausgabenabzug erlaubt, wenn die Voraussetzungen nach § 8a Abs. 3 KStG nicht erfüllt werden können (sog. schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung). Dabei ist zu prüfen, ob konzernzugehörige Gesellschaften Zinsen auch an qualifiziert beteiligte Gesellschafter (Beteiligung mit mindestens 25%)1 zahlen, die nicht in den Konzern einbezogen werden. Ist dies der Fall und beträgt die Fremdkapitalvergütung einer Konzerngesellschaft an qualifiziert beteiligte Gesellschafter insgesamt mehr als 10% ihrer Nettozinsaufwendungen, wird die Anwendung der EK-Escape-Klausel für diese Konzerngesellschaft versagt.

    Gleichzeitig zu den Beschränkungen der Ausnahmeregelungen werden die von der Zinsschranke erfassten Aufwendungen erweitert. Neben dem klassischen Zins sollen auch wirtschaftlich gleichwertige Aufwendungen (bspw. Bereitstellungszinsen) sowie sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital (bspw. Kreditvermittlungsgebühren) im Rahmen der Ausgabenabzugsbeschränkung berücksichtigt werden.

    Insgesamt wird damit in Zeiten steigender Zinsen für große fremdfinanzierte "EBITDA-schwache" Unternehmen der Zinsausgabenabzug erheblich eingeschränkt, was zu einer weiteren Belastung dieser Unternehmen führt. Insbesondere Unternehmen, die große Investitionen über lange Zeiträume finanzieren, wie z.B. Immobilienunternehmen, werden negativ getroffen. Bestehende Finanzierungstrukturen sollten frühzeitig überprüft und ggf. Angepasst werden. Gleichzeitig ist das weitere Gesetzgebungsverfahren im Auge zu behalten.
     

1.2 Zinshöhenschranke

Mit der sog. Zinshöhenschranke soll ab 1.1.2024 eine neue Regelung geschaffen werden, die ebenfalls auf die Beschränkung des steuerlichen Zinsausgabenabzugs abzielt.

In den Anwendungsbereich fallen insbesondere Geschäftsbeziehungen zwischen Konzernunternehmen, wobei Beteiligungsquoten von mind. 25% bereits ausreichend sind. Betroffen sind auch Sachverhalte ohne Auslandsbezug, d.h. auch reine Inlandsfälle. Externe Bankenfinanzierungen werden nicht erfasst

Grundsätzlich sollen zukünftig nur Zinssätze bis zu zwei Prozentpunkte über dem Basiszins gem. § 247 BGB abziehbar sein. Aktuell beträgt dieser Basiszins 3,12 Prozent, sodass sich dadurch ein Höchstsatz i.H.v. 5,12 Prozent ergeben würde.

Zur Anwendung der Zinshöhenschranke kommt es nicht, sofern der Darlehensgeber in seinem Ansässigkeitsstaat einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht (sog. Substanzausnahme). Dies setzt insbesondere den Einsatz der für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen sachlichen und personellen Ausstattung in diesem Staat voraus. Die Tätigkeit muss durch hinreichend qualifiziertes Personal selbständig und eigenverantwortlich ausgeübt werden. Eine Geschäftsbesorgung durch Dritte genügt nicht. Diese Substanzausnahme wird wiederum nicht gewährt, wenn der Darlehensgeber in einem Staat ansässig ist, der nach einschlägigen Vereinbarungen nicht zum Leisten von Amtshilfe verpflichtet ist.

Darüber hinaus wird dem Steuerpflichtigen (Darlehensnehmer) die Möglichkeit eröffnet nachzuweisen, dass sowohl der Gläubiger (Darlehensgeber) als auch – im Falle von Unternehmensgruppen – die oberste Muttergesellschaft das Kapital bei sonst gleichen Umständen nur zu einem über dem Höchstsatz liegenden Zinssatz hätten erhalten können. Gelingt dieser Nachweis, dann ist als Höchstsatz dieser nachgewiesene Zinssatz anzuwenden, der im günstigsten Fall hätte erzielt werden können. Als Nachweis kommen etwa der Refinanzierungssatz der obersten Muttergesellschaft oder Datenbankstudien auf Ebene der obersten Muttergesellschaft zum
Zeitpunkt des Abschlusses der zu untersuchenden Finanzierungsbeziehung in Betracht. Nicht ausreichend sind hingegen reine Angebote von Banken oder anderen möglichen
Gläubigern.

Die Einführung einer Zinshöhenschranke verschärft die steuerlichen Rahmenbedingungen für konzerninterne Finanzierungsbeziehungen in Deutschland weiter. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch Darlehen zwischen inländischen Gesellschaften einer Unternehmensgruppe erfasst werden. Im Einzelfall werden Zinserträge in Deutschland somit voll versteuert, während Zinsaufwendungen nicht abgezogen werden können.

Insbesondere Finanzierungen über „substanzlose“ Joint-Venture-Gesellschaften oder über Zwischenholdings sollten vor diesem Hintergrund geprüft werden.

 

2. Verbesserte Abschreibungsbedingungen für Wohngebäude

Für Wohnzwecken dienende Gebäude, mit deren Herstellung nach dem 30.09.2023 und vor dem 1.10.2029 begonnen wird, ist die Einführung einer degressiven AfA mit einem unveränderlichen Prozentsatz i.H.v. 6 % vom jeweiligen Buchwert (Restwert) zur Förderung des Wohnungsbaus vorgesehen. Das gilt auch für im Jahr der Fertigstellung angeschaffte Wohngebäude, wenn die Anschaffung auf Grund eines nach dem 30.09.2023 und vor dem 1.10.2029 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrags erfolgt.

 

3. Gewerbesteuer: Erhöhung der Bagatellgrenze für Stromlieferungen im Rahmen der erweiterten Grundstückskürzung

Für Grundstücksunternehmen war es ab dem Veranlagungsjahr 2021 für Zwecke der erweiterten Grundstückskürzung unschädlich, neben Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung eigenen Grundbesitzes auch Einnahmen aus der Lieferung von Strom zu erzielen. Die Einnahmen aus der Lieferung von Strom müssen dabei entweder aus dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung von erneuerbaren Energien i.S.d. § 3 Nr. 21 EEG oder aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder stammen. Diese Einnahmen sind selbst nicht gewerbesteuerlich begünstigt und durften bislang 10 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes (Warmmiete) bezogen auf das Grundstücksunternehmen betragen. Diese Freigrenze soll durch das Wachstumschancengesetz nun auf 20 % erhöht werden.


4. Wegfall von Steuerbefreiungen bei der Grunderwerbsteuer

Mit Wirkung zum 1.1.2024 treten wesentliche Teile des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) in Kraft. Durch das MoPeG wird bei (rechtsfähigen) Personengesellschaften der bisher geltende Begriff des Gesamthandsvermögens durch das originäre Gesellschaftsvermögen ersetzt. Damit ist – entsprechend der BGH-Rechtsprechung – gesellschaftsrechtlich zum Ausdruck gebracht, dass die Personengesellschaft selbst Trägerin der dem Gesellschaftsvermögen zugehörigen Rechte und Pflichten ist.

Da im Grunderwerbsteuerrecht vorgesehene Begünstigungen teilweise auf den Begriff des Gesamthandsvermögen abstellen, ist umstritten, ob das MoPeG Einfluss auf die Anwendbarkeit dieser grunderwerbsteuerlicher Befreiungsvorschriften hat. Dies gilt im Besonderen für die äußerst praxisrelevanten Vergünstigungsvorschriften der §§ 5, 6 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG). Diese erfassen insbesondere Grundstücksübertragungen von einem Gesellschafter auf eine Personengesellschaft bzw. von einer Personengesellschaft auf einen Gesellschafter.

In den Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes wurde nun eine „Klarstellung“ aufgenommen, dass es aufgrund nachlaufender Sperrfristen aus den Begünstigungsvorschriften der §§ 5,6 GrEStG nicht zu einem sogenannten passiven Verstoß kommen soll. Dies ist zu begrüßen. Gleichzeitig enthält die Gesetzesbegründung jedoch den Hinweis, dass die Begünstigungsvorschriften der §§ 5,6, 7 Abs. 2 GrEStG ab dem 1.1.2024 keinen Anwendungsraum mehr haben, weil es die in den Vorschriften genannte Gesamthand nicht mehr gibt. Dies ist eine deutliche Einschränkung gegenüber der bisherigen Rechtslage

Da im Übrigen die weiteren Entwicklungen in der Grunderwerbsteuer aktuell unklar sind, sollte überlegt werden, entsprechende ohnehin geplante Übertragungen noch in diesem Jahr vorzunehmen, um die Inanspruchnahme der Begünstigungsvorschriften in §§ 5,6, 7 Abs. 2 GrEStG zu sichern.

Fazit

Aus Sicht von Immobilienunternehmen sind die Reformvorschläge des Wachstumschancengesetzes insgesamt nicht zu begrüßen. Sowohl die beabsichtigte Anpassung der Zinsschranke bzw. die Einführung der Zinshöhenschranke wie auch der Wegfall der grunderwerbsteuerlichen Befreiungsvorschriften bei Übertragung von Grundbesitz von bzw. auf Personengesellschaften sind für Immobilienunternehmen nachteilig.

Aufgrund des hohen Finanzbedarfs und der damit verbundenen hohen Fremdfinanzierung fällt der Zinsaufwand typischerweise hoch aus. Die in letzter Zeit stark ansteigenden Zinsen sind für Immobilienunternehmen ohnehin schon zur Belastung geworden. Durch das Wachstumschancengesetz besteht nun das Risiko, dass Immobilienunternehmen für Zinsaufwendungen der Betriebsausgabenabzug untersagt wird. Es bleibt zu hoffen, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren der Regierungsentwurf überarbeitet und die geplanten Verschärfungen noch etwas eingehegt werden. Dennoch sollten insbesondere bestehende Finanzierungsstrukturen bereits jetzt analysiert werden sowie etwaige ohnehin geplante und nach §§ 5 ,6, 7 Abs. 2 GrEStG begünstigte Grundstücksübertragungen noch in diesem Jahr umgesetzt werden.

Dipl.-Kfm. Prof. Dr. Oliver Middendorf

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner

+49 40 822169034

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