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Übertragung von Beteiligungs­ketten – Zweimal Grunderwerbsteuer auf dasselbe Grundstück

Veröffentlicht: 13. Dezember 2023 aus Rundschreiben Immo­bilien­steuerrecht 2-2023
Von: Prof. Dr. Oliver Middendorf, Mike Rickermann

Mit gleichlautenden Ländererlassen vom 16.10.2023 hat sich die Finanzverwaltung zu der Zurechnung von Grundstücken im Fall von mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen geäußert. Die Auffassung bringt eine erhebliche Verschärfung mit sich und kann dazu führen, dass ein Grundstück für grunderwerbsteuerliche Zwecke innerhalb einer Unternehmensgruppe auf mehreren Ebenen zugerechnet wird. Dies kann bei Anteilsübertragungen doppelt Grunderwerbsteuer auslösen.

 

Grunderwerbsteuer fällt nicht nur beim Asset Deal an (§ 1 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz [GrEStG]), sondern kann auch bei der Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften (Share Deal) entstehen. Gehen bspw. innerhalb von zehn Jahren unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzhaltenden Personen- oder Kapitalgesellschaft auf einen oder mehrere neue(n) Gesellschafter über, wird gem. § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG Grunderwerbsteuer ausgelöst. Ferner stellt auch die Vereinigung von mindestens 90 % der Anteile in der Hand eines Erwerbers einen grunderwerbsteuer­baren Vorgang dar (§ 1 Abs. 3 GrEStG). Im Fall einer solchen Anteilsvereinigung wird ein Übergang des Grundstücks auf den Erwerber der Anteile fingiert.

Ob die Gesellschaft im Zeitpunkt der Anteilsübertragung Grundbesitz im grunderwerbsteuerlichen Sinne hält, ist häufig nicht ganz eindeutig. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen Anteile an oder innerhalb eine(r) Beteiligungskette übertragen werden. In den letzten Jahren hatte sich der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mehrfach zu der Zurechnung von Grundstücken geäußert. Mit gleichlautenden Ländererlassen vom 16.10.2023 hat nun auch die Finanzverwaltung hierzu Stellung bezogen.

Zunächst hat sie die Rechtsprechung des BFH dahin gehend bestätigt, dass sich die Zurechnung eines Grundstücks zum Vermögen einer Gesellschaft weder nach dem Zivilrecht noch nach wirtschaftlichen Grundsätzen richte. Maßgebend ist stattdessen allein die grunderwerbsteuerliche Zurechnung. In diesem Sinne soll einer Gesellschaft ein Grundstück gehören, wenn es ihr aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, Abs. 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden und verwirklichten Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerlich zuzurechnen ist. Übertragungen i. S. d. § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG führen dagegen nicht zu einer Änderung der Zurechnung.

Nach der Auffassung der Finanzverwaltung soll allerdings im Fall einer Zurechnung des Grundstücks beim Gesellschafter infolge eines Vorgangs i. S. d. § 1 Abs. 3 bzw. 3a GrEStG die Zurechnung nicht beim zivilrechtlichen Grundstückseigentümer enden. Das bedeutet, dass ein und dasselbe Grundstück innerhalb einer Beteiligungskette für grunderwerbsteuerliche Zwecke auf mehreren Ebenen zugerechnet und damit bei einer Anteilsübertragung doppelt Grunderwerbsteuer ausgelöst werden kann.

Erschwerend hinzu kommt die Auffassung der Finanzverwaltung im Zusammenhang mit der Zurechnung in Fällen des neu eingeführten § 16 Abs. 4a GrEStG (insoweit verweisen wir auch auf unseren zweiten Newsletter zum Immobiliensteuerrecht im vergangenen Jahr).

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Exkurs:

Hintergrund des § 16 Abs. 4a GrEStG ist der unterschiedliche Entstehungszeitpunkt der Grunderwerbsteuer bei den einzelnen Tatbeständen. So fällt die Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG mit der tatsächlichen Anteilsübertragung (Closing) an, während es bei der sog. Anteilsvereinigung i. S. d. § 1 Abs. 3 GrEStG auf den Abschluss des Anteilskaufvertrags (Signing) ankommt. Fallen – wie in der Praxis üblich – der Abschluss des Anteilskaufvertrags und die Anteilsübertragung zeitlich auseinander, wird somit zunächst Grunderwerbsteuer gem. § 1 Abs. 3 GrEStG im Zeitpunkt des Signings ausgelöst und schließlich ein weiteres Mal gem. § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG im Zeitpunkt des Closings. Eine dadurch entstehende doppelte Grunderwerbsteuerbelastung sollte durch die Einführung des § 16 Abs. 4a GrEStG geregelt werden. Danach wird unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag die Festsetzung der Grund­erwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG aufgehoben, wenn der Tatbestand des § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG verwirklicht wird.

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Gemäß der gleichlautenden Ländererlasse soll mit der nach § 16 Abs. 4a GrEStG angeordneten Aufhebung der Steuerfestsetzung der zuerst verwirklichten Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG die infolge der Anteilsvereinigung beim Erwerber erfolgte Zurechnung des Grundstücks nicht enden. Schlussendlich würde in einem solchen Fall lediglich die Anteilsübertragung i. S. d. § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG besteuert, dem Erwerber der Anteile aber dennoch das Grundstück aufgrund der inzwischen aufgehobenen Anteilsvereinigung gem. § 1 Abs. 3 GrEStG zugerechnet. Es wird damit regelmäßig zu einer doppelten Zurechnung eines Grundstücks innerhalb einer Beteiligungskette kommen – mit dem Risiko, dass bei einer nachfolgenden Übertragung auch doppelt Grunderwerbsteuer anfällt, zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung.
 

Empfehlung

Die gleichlautenden Ländererlasse führen zu einer deutlichen Verschärfung des ohnehin schon komplexen Grunderwerbsteuerrechts im Bereich der Share Deals. Bei Umstrukturierungen und Anteilsübertragungen innerhalb von Unternehmensgruppen ist damit künftig eine erhöhte Vorsicht geboten, um eine doppelte Entstehung von Grunderwerbsteuer zu vermeiden.  Da die gleichlautenden Ländererlasse in allen offenen Fällen anzuwenden sind, sollten auch vergangene Anteilsübertragungen dahin gehend überprüft werden, ob die Anzeigepflichten im Sinne der neuen Erlasse vollständig erfüllt wurden. Ferner empfehlen wir, gegen etwaige (Grundlagen-)Bescheide, in denen eine doppelte Zurechnung und/oder Besteuerung festgestellt wird, Einspruch einzulegen. Gerne sind wir Ihnen hierbei behilflich.

Dipl.-Kfm. Prof. Dr. Oliver Middendorf

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner

+49 40 822169034

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Immo­bilien­steuerrecht 2-2023

Veröffentlicht: 13. Dezember 2023

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