Gewerbesteuer: Anwendung der erweiterten Grundstückskürzung bei Verkauf des letzten Grundstücks zu Beginn des 31.12.?
Veröffentlicht: 28. Juni 2023
aus
Rundschreiben Immobiliensteuerrecht 1-2023
Von:
Prof. Dr. Oliver Middendorf,
Mike Rickermann
Um die Voraussetzungen der gewerbesteuerlichen Begünstigung zu erfüllen, muss das Grundstücksunternehmen grds. im ganzen Erhebungszeitraum eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen. Das Finanzgericht (FG) Münster hat nun entschieden, dass der Verkauf des letzten Grundstücks und die damit einhergehende Beendigung der begünstigten Tätigkeit zu Beginn des 31.12. unschädlich sein kann, wenn etwaige nachlaufende Tätigkeiten nicht zu steuerbaren Einkünften führen.
Die erweiterte Grundstückskürzung wird auf Antrag bei Unternehmen gewährt, die ausschließlich eigenen Grundbesitz („privilegierte Haupttätigkeit“) oder daneben eigenes Kapitalvermögen verwalten oder nutzen oder Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen i. S. d. Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) errichten oder veräußern („erlaubte Nebentätigkeiten“).
Erträge (insb. Mieteinnahmen) aus der Haupttätigkeit sind von der Gewerbesteuer befreit. Die Einkünfte aus den erlaubten Nebentätigkeiten führen zwar nicht zu einer Gewerbesteuerpflicht der Erträge aus der privilegierten Haupttätigkeit, sind selbst allerdings gewerbesteuerpflichtig.
In zeitlicher Hinsicht muss der privilegierten Haupttätigkeit im ganzen Erhebungszeitraum nachgegangen werden. So fehlt es nach bisheriger Rechtsprechung grds. am Erfordernis der ausschließlichen Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes, wenn ein Unternehmer das letzte oder einzige Grundstück vor Ablauf des Erhebungszeitraums veräußert und damit die privilegierte Haupttätigkeit endet. Lediglich eine Veräußerung mit wirtschaftlicher Wirkung zum 31.12., 23:59 Uhr (sog. Mitternachtsgeschäft) wird von der Finanzverwaltung anerkannt.
Das FG Münster hat am 27.10.2022 entschieden, dass auch ein Verkauf des einzigen Grundstücks zu Beginn des 31.12. (0 Uhr) unschädlich sein kann, wenn das Grundstücksunternehmen (hier eine Kapitalgesellschaft) im Anschluss keiner anderweitigen Tätigkeit mehr nachgeht. Eine solche Tätigkeit könne nach Auffassung des FG nur vorliegen, wenn sie zu steuerbaren Einkünften führt. Das bloße Halten von Kapitalvermögen stelle, wenn damit keine Zinseinkünfte erzielt werden, demnach keine Tätigkeit dar, sodass die erweiterte Grundstückskürzung bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zu gewähren sei.
Nun bleibt abzuwarten, ob sich der Bundesfinanzhof (BFH) der Auffassung des FG anschließt oder ob er die zeitlichen Voraussetzungen der gewerbesteuerlichen Begünstigung beim Verkauf des einzigen Grundstücks nur im Fall eines Mitternachtsgeschäfts als erfüllt sieht.
Hinweis
Die erweiterte Grundstückskürzung führt immer wieder zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung. Bereits in unserem ersten Newsletter des letzten Jahres haben wir von einem Urteil des BFH zum Beginn der Ausübung der begünstigten Tätigkeit im Fall eines neu gegründeten Grundstücksunternehmens berichtet. Es bestätigt sich immer wieder, dass die Voraussetzungen der gewerbesteuerlichen Begünstigung genau zu prüfen sind. Gerne unterstützen wir Sie bei der steuerlichen Optimierung von Grundstückstransaktionen – auch in zeitlicher Hinsicht.
Unsere Autorinnen und Autoren des Beitrags beraten Sie gerne zu Ihren persönlichen Fragen. Mehr zum Bereich: