Themenfelder

B. ESRS E1 Klimawandel

Veröffentlicht: 4. März 2024 aus Rundschreiben Nachhaltigkeit 2-2024
Von: Anna Margareta Gehrs, Sebastian Behrens

Das Thema „Klimawandel“ ist eines der zentralen Themen der allgemeinen Berichtsstandards. Ihm wurde seitens des Richtliniengebers eine sehr große Bedeutung zugeordnet. Diese beruht nicht zuletzt auf der Entwicklung der Berichtsstandards zur CSRD als Teil des EU-Aktionsplans, der seinerseits auf dem Green Deal der EU und somit ursprünglich auf dem Pariser Klimaabkommen beruht. In ESRS 2.57 wird deshalb festgelegt, dass der generelle Wesentlichkeitsvorbehalt für den ersten Umweltstandard „Klimawandel“ nicht gilt, sondern hier eine Umkehrung der Vorgehensweise erfolgt. Der Standard ist generell als wesentlich zu werten und somit anzuwenden. Kommt das Unternehmen zu einer anderen Einschätzung, muss es ausführlich darlegen, warum es zu dieser Einschätzung gekommen ist. Zu der Erläuterungspflicht gehört auch eine vorausschauende Analyse, unter welchen Bedingungen aus Sicht des Unternehmens künftig eventuell eine andere Bewertung eintreten könnte.

 

Wie unter Gliederungspunkt A. bereits angesprochen, findet sich in ESRS 1 Anlage E das unten dargestellte Ablaufschema.

Dieses Prüfschema gilt für sämtliche Themenstandards, somit auch für ESRS E1. Auch wenn ESRS E1 im ersten Schritt immer als wesentlich zu betrachten ist, gilt für die weiteren Ebenen auch für ihn das vorgegebene Ablaufschema. Dementsprechend sind trotz der generellen Einschätzung des ESRS E1 als wesentlich keineswegs sämtliche auf der zweiten Stufe genannten Parameter und auf der dritten Stufe angegebenen Datenpunkte automatisch wesentlich und damit zu berichten. Abweichend zur Begründungspflicht einer nicht angenommenen Wesentlichkeit dieses Standards besteht für die nachgelagerten Prüfstufen keine entsprechende Erläuterungspflicht.

ESRS E1 wird eine erhebliche Bedeutung für alle Unternehmen zugeordnet. Dies ist nicht nur an der generellen Einstufung als wesentlich erkennbar, sondern auch an dem deutlich höheren Volumen von Angaben und deren erheblich größeren Detaillierungsgrad. Während ESRS E1 rd. 40 Seiten umfasst, sind es bei ESRS E2, E3 und E5 nur rd. 11 Seiten und bei ESRS E4 rd. 18 Seiten. Dementsprechend wird die Befassung gerade mit ESRS E1 jedes Unternehmen viel Zeit kosten.

Um in den drei Prüfschritten zu dem Ergebnis zu kommen, dass eine Angabe nicht wesentlich ist, muss sich das Unternehmen naturgemäß zunächst mit den Inhalten befassen. Sofern Angaben dann als wesentlich zu bewerten sind, besteht die weitere Herausforderung darin, Strukturen für die Erhebung der relevanten Daten zu schaffen, da es sich in vielen Fällen um technische Daten handelt, die aufzubereiten sind und nicht einfach z. B. von einem Stromzähler abgelesen werden können. Häufig sind aufgrund entsprechender Verweise in ESRS E1 ergänzend Verordnungen der EU-Kommission oder Veröffentlichungen anderer offizieller Stellen zu berücksichtigen (z. B. EU-Klimagesetz, Delegierte VO (EU) 2020/1818 oder die EU-Taxonomie-VO 2020/852) und es wird für die Ermittlung bestimmter Angaben auch auf externe Unterstützung zurückgegriffen werden müssen (Stichwort: Zertifizierungen).

ESRS E1 soll den Nutzern der Nachhaltigkeitserklärung insbesondere ermöglichen zu verstehen, welche Auswirkungen das Unternehmen auf den Klimawandel hat, inwieweit die Klimaschutzbemühungen des Unternehmens mit dem Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C übereinstimmen und wie die Strategie des Unternehmens hinsichtlich seines eigenen Beitrags hierzu aussieht. Des Weiteren sollen Maßnahmen, Risiken, Chancen und deren finanzielle Auswirkungen aufgezeigt werden. In der Zielformulierung von ESRS E1 finden sich somit unmittelbar die beiden in ESRS 1 festgelegten Perspektiven der Auswirkungswesentlichkeit und der finanziellen Wesentlichkeit wieder.

1. Governance und Organisation

Im Gegensatz zu den übrigen vier Umweltstandards gibt es in ESRS E1 zusätzlich zu der generellen Anwendung der Regelungen des ESRS 2 eine ausdrückliche Angabepflicht, und zwar dazu, ob und wie klimabezogene Erwägungen in die Vergütung der Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane einbezogen werden, einschließlich deren Verknüpfung zu Treibhausgas-Emissionsreduktionszielen.

2. Strategie und Geschäftsmodell

ESRS E1.14 sieht vor, dass ein Unternehmen seinen Übergangsplan zum Klimaschutz darzustellen hat. Dieses setzt naturgemäß voraus, dass es einen solchen gibt. Eine Verpflichtung hierzu gibt es allerdings nicht, weil ESRS E1.17 ausdrücklich regelt, dass sofern das Unternehmen nicht über einen solchen Plan verfügt, es angeben muss, ob und ggf. wann es einen solchen Plan verabschieden wird. Eine Zeitvorgabe, bis wann ein entsprechender Übergangsplan spätestens zu erarbeiten ist, findet sich im Standard nicht. Es erscheint allerdings vor dem Hintergrund insbesondere auch der künftigen Erwartungen von Kapitalgebern wenig wahrscheinlich, dass ein Unternehmen dauerhaft auf die Entwicklung und Verabschiedung eines entsprechenden Übergangsplans verzichten kann und wird.

Sofern ein entsprechender Übergangsplan besteht, muss er erläutert werden. Dabei ist insbesondere darauf einzugehen, wie Ziele des Unternehmens mit der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C vereinbar sind und in welcher Form der Plan in die Geschäftsstrategie und Finanzplanung einbezogen ist. Es sind die wichtigsten Maßnahmen und hier insbesondere die geplanten Investitionen und erforderlichen Finanzmittel zu erläutern. In diesem Kontext wird ausdrücklich auf die Angabepflichten gemäß der EU-Taxonomie-VO zu CapEx-Plänen Bezug genommen. Es ist anzugeben, ob der Übergangsplan vom Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgan genehmigt wurde. Abschließend ist auch über Fortschritte bei der Umsetzung des Plans zu berichten.

ESRS E1 deckt die zwei generellen Themen „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“, also die Klimaziele der EU-Taxonomie-VO ab. Er umfasst sowohl Angabepflichten zu physischen Klimarisiken einschließlich Anpassungslösungen zu deren Verringerung, aber auch zu Übergangsrisiken, die sich aus der erforderlichen Anpassung an klimabedingte Gefahren ergeben. Jedes wesentliche klimabezogene Risiko ist einer dieser beiden Risikoarten zuzuordnen.

Unternehmen müssen die Resilienz ihrer Strategie und ihres Geschäftsmodells in Bezug auf den Klimawandel beschreiben und hierbei auf den Umfang und die Ergebnisse der Resilienzanalyse eingehen. Inhalte können hier z. B. den Zugang zum Kapitalmarkt sowie die Anpassungsfähigkeit von Produkten, Produktionsverfahren und Standorten, aber auch des Personals durch entsprechende Schulungsmaßnahmen betreffen. In diesem Kontext wird auch von Szenarioanalysen gesprochen, deren Ergebnisse darzustellen sind. Es findet sich jedoch keine ausdrückliche Angabe im Standard dazu, ob die Darstellung von Szenarien verpflichtend ist. Lediglich aus ESRS E1.21 kann mittelbar eine entsprechende Verpflichtung vor dem Hintergrund der verschiedenen zu erfassenden Zeithorizonte (kurz-, mittel- und langfristig) abgeleitet werden.

3. Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen

Das Unternehmen hat das Verfahren zur Ermittlung und Bewertung der klimabezogenen Auswirkungen, Risiken und Chancen zu beschreiben. Diese umfassen neben den Auswirkungen auf den Klimawandel (insbesondere durch entstehende Treibhausgasemissionen) die klimabedingten physischen Risiken, aber auch die Übergangsrisiken. Die Angaben müssen nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch jeweils für seine vor- und nachgelagerte Wertschöpfungskette gemacht werden. Bei der Darstellung der unternehmenseigenen Richtlinien und Konzepte zum Umgang mit den Risiken hat das Unternehmen insbesondere auf die Bereiche „Klimaschutz“, „Anpassung an den Klimawandel“, „Energieeffizienz“, „Einsatz erneuerbare Energien“ und „Sonstige“ einzugehen. Der Begriff „Sonstige“ ist nicht weiter erläutert. Allerdings ergibt sich aus den Anwendungsanforderungen zu ESRS E1 in AR 18 eine mögliche Interpretation, dass es sich hierbei um eigenständige Konzepte des Unternehmens handelt, die sich nicht primär auf den Klimawandel beziehen, aber mittelbar darauf wirken, wie z. B. Schulungsstrategien und Strategien in Bezug auf Gesundheitsschutz und Sicherheit.

Neben den Verfahren zur Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen, Risiken und Chancen sind die für die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen zugewiesenen Mittel (z. B. finanzieller, aber auch personeller Art) anzugeben. Bezüglich der entsprechenden Angaben zu den Maßnahmen wird in der Angabepflicht ESRS E1-3 ausdrücklich auf die in ESRS 2 MDR-A festgelegten Grundsätze verwiesen. Insoweit verweisen wir auf die entsprechenden Erläuterungen im Rundschreiben Nachhaltigkeit 1/2024. ESRS E1 legt aber über diese Angabe hinaus weitere Angaben fest, die sich auf Klimaschutzmaßnahmen beziehen. Hierzu gehören z. B. die erzielte und erwartete Reduktion von Treibhausgasemissionen, die Maßnahmen, bei denen Dekarbonisierungshebel zum Einsatz kommen, aber auch erhebliche Geldbeträge von CapEx oder OpEx im Sinne der Delegierten Verordnung (EU) 2021/2178 .

In dieser sind die entsprechenden Kennzahlen definiert. Unter Dekarbonisierungshebeln werden Arten von Minderungsmaßnahmen wie beispielsweise Energieeffizienz, Elektrifizierung, Brennstoffwechsel, Nutzung erneuerbarer Energie oder auch Dekarbonisierung der Lieferkette verstanden (vgl. ESRS E1 AR 19b)).

4. Parameter und Ziele

Gemäß ESRS E1.30 ff. soll mit den sich hieraus ergebenden Angabepflichten ein Verständnis für die Ziele vermittelt werden, die sich das Unternehmen gesetzt hat, um seine Strategien zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen.

Die Formulierungen in ESRS E1.33 und 34 lassen sich grundsätzlich so verstehen, dass Unternehmen nicht verpflichtet sind, sich Treibhausgasemissionsziele zu setzen. In Absatz 33 heißt es beispielsweise „ob und wie es THG-Emissionsziele … festgelegt hat“ und in Absatz 34 „Hat das Unternehmen … festgelegt“. Dennoch könnte Absatz 34d) so verstanden werden, dass mindestens für das Jahr 2030 entsprechende Zielwerte festzulegen sind. Eine abschließende Klärung ist zurzeit nicht möglich. Auch die Anwendungsanforderungen zu ESRS E1 geben hierzu keine klare Antwort. Es bleibt abzuwarten, ob künftige FAQ oder weitere Umsetzungshilfen der EFRAG hierzu eine eindeutige Antwort ermöglichen werden.

Für den Fall, dass ein Unternehmen sich klimaschutzbezogene Ziele setzt, sind diverse Parameter zu benennen. Diese lassen sich folgenden Stichworten zuordnen:

  • Energieverbrauch und Energiemix
  • Treibhausgasemissionen
  • Abbau von Treibhausgasen und Projekte zur deren Verringerung, finanziert über CO2-Gutschriften
  • interne CO2-Bepreisung
  • erwartete finanzielle Auswirkungen wesentlicher physischer Risiken und Übergangsrisiken sowie potenzielle klimabezogene Chancen

Zu den Stichworten gibt es diverse Differenzierungen und Unterkategorien. Bei Energiemix ist beispielsweise zu differenzieren nach erneuerbaren, nuklearen und fossilen Energiequellen. In diesem Kontext sind für klimaintensive Sektoren zusätzliche Angaben zu machen. Welche Sektoren als klimaintensiv bewertet werden, ergibt sich aus den Abschnitten A bis H und L der Verordnung (EU) 2022/1288. Treibhausgasemissionen werden je nach Herkunft bzw. Verursachung in drei Kategorien, Scope 1, Scope 2 und Scope 3, unterschieden.

Scope 1: direkte Emissionen des Unternehmens aus eigenem Verbrauch von Energie, also z. B. in der Produktion, aber auch durch den Einsatz eines eigenen Fuhrparks im Vertrieb

Scope 2: Emissionen, die bei der Herstellung von Energie entstehen, die ein Unternehmen bezieht, also z. B. bezogener Strom oder Fernwärme

Scope 3: alle übrigen Emissionen, die indirekt durch das Unternehmen verursacht werden, also z. B. bei externen Logistikunternehmen, die Waren zum Unternehmen transportieren, aber auch Emissionen, die bei Geschäftsreisen mit nicht betriebseigenen Transportmitteln entstehen
Sämtliche Emissionen sind in Tonnen CO2-Äquivalente anzugeben. Es muss also je nach Emissionsart eine Umrechnung auf Basis offiziell anerkannter Faktoren erfolgen.

Für Scope-2-Emissionen ist zwischen der standortbezogenen und der marktbezogenen Methode zu unterscheiden. Bei der erstgenannten Methode werden die Emissionen auf der Grundlage von durchschnittlichen Emissionsfaktoren für bestimmte geografische Standorte ermittelt. Die marktbasierte Methode sieht dagegen eine Ermittlung auf der Grundlage der Treibhausgasemissionen vor, die von den Erzeugern der Emissionen emittiert werden, von denen das Bericht erstattende Unternehmen seinen Strom bezieht.

Zusätzlich zu der Scope-1-, -2- und -3-Differenzierung können die Treibhausgas-Gesamtemissionen auch nach anderen Unterscheidungsmerkmalen differenziert werden, wie z. B. nach Ländern, Wirtschaftstätigkeiten oder Art der Quellen. Neben den Treibhausgas­emissionen ist auch die sog. Treibhausgasintensität anzugeben. Diese Angabe umfasst die Treibhausgas-Gesamtemissionen in Tonnen CO2-Äquivalente je Nettoeinnahme. Die Nettoeinnahmen sind mit der Finanzberichterstattung abzustimmen.

Vor dem Hintergrund, dass die Nutzung von CO2-Gutschriften zulässig ist, diese aber nicht mit dem tatsächlichen Energieverbrauch saldiert werden dürfen, sind zu entsprechenden Maßnahmen weiter gehende Erläuterungen zu machen. Hierzu ist nicht nur anzugeben, ob und wie die Nutzung mit den eigenen Emissionszielen einhergeht, sondern auch die Glaubwürdigkeit und Integrität verwendeter CO2-Gutschriften zu erläutern.

Wenn ein Unternehmen mit internen CO2-Bepreisungen arbeitet, also z. B. Belegung bestimmter Investitionen mit internen CO2-Gebühren, muss es hierzu weitere Angaben machen.

In Ergänzung zu den Angaben über finanzielle Auswirkungen gemäß ESRS 2 SBM-3 hat das Unternehmen weitere Angaben bzgl. der erwarteten finanziellen Auswirkungen wesentlicher physischer Risiken und Übergangsrisiken zu machen, aber auch das Potenzial, von wesentlichen klimabezogenen Chancen zu profitieren, darzustellen.

Die Anwendungsanforderungen enthalten ausführliche Erläuterungen zu den in ESRS E1 genannten Begriffen sowie Kennzahlen und machen Vorschläge für die Darstellung von Angaben. Einzelne Darstellungen sind jedoch auch verpflichtend zu nutzen, so z. B. die Tabelle gemäß ESRS E1 AR 48 bzgl. der Emissionen nach Scope 1, Scope 2 und Scope 3.

Dipl.-Kfm. Anna Margareta Gehrs

Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin, Sustainability-Auditor IDW

+49 521 2993176

Sebastian Behrens, B.Sc.

Steuerberater, Sustainability-Auditor IDW

+49 521 29934177

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