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Eine inkongruente Gewinnaus­schüttung trotz fehlender Regelung im Gesellschaftsvertrag (satzungsdurchbrechender Beschluss), ist steuerlich anzu­erkennen

Veröffentlicht: 21. Dezember 2022

Mit Urteil vom 28.09.2022 entschied der BFH, dass ein punktuell satzungsdurchbrechender inkongruenter Vorabgewinnausschüttungsbeschluss – und damit ein zivilrechtlich wirksamer Beschluss - bei dem Gesellschafter, an den nach einem solchen Beschluss kein Gewinn verteilt wird, keine Einkünfte zuzurechnen sind.

Der Kläger war zu 50 % an der A-GmbH beteiligt und Gesellschafter- Geschäftsführer. Neben ihm war einzig weitere Gesellschafterin die B-GmbH, dessen Geschäftsführer ebenfalls der Kläger war. In den Jahren 2012 bis 2015 wurden nur an die B-GmbH Vorabgewinne der A-GmbH nach einstimmigen Gesellschafterbeschlüssen ausgeschüttet. Die Satzung der A-GmbH enthielt selbst keine Regelung zur Gewinnverteilung. Die Gewinnausschüttungen waren daher grundsätzlich nach den Beteiligungsverhältnissen zu verteilen.

Fraglich war daher, ob diese sog. inkongruenten Gewinnausschüttungen dem Kläger, der keine Gewinnausschüttung erhielt, und der B-GmbH entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis an der A-GmbH zu je 50 % zuzurechnen seien. Obwohl Auszahlungen nur an die B-GmbH erfolgten, meint das FA, dass der hälftige Anteil beim Kläger als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG festzusetzen sei. Das FA begründete dies mit der fehlenden satzungsrechtlichen Grundlage. Die ohne auf satzungsrechtlicher Grundlage gefassten Beschlüsse seien zivilrechtlich nicht wirksam und daher würden verdeckte Gewinnausschüttungen an den Kläger vorliegen. Aber auch bei Wirksamkeit seien die Ausschüttungen zu besteuern, weil ein Gestaltungsmissbrauch gem. § 42 AO vorliege.

Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass die gefassten Ausschüttungsbeschlüsse als zivilrechtlich wirksame Gewinnverwendungsbeschlüsse der Besteuerung zugrunde zu legen sind. Wenn – wie dies hier der Fall ist – ein nur punktuell satzungsdurchbrechender Ausschüttungsbeschluss und gerade keiner mit Dauerwirkung vorliegt, ist dieser entsprechend dem AktG nicht automatisch nichtig, sondern anfechtbar. Der BFH schließt sich dabei der Würdigung des erstinstanzlichen Gerichts an: Bei jeder Beschlussfassung lag ein neuer Willensentschluss der Gesellschafter vor, der gerade keine generell neue Satzungsregelung mit Dauerwirkung treffen wollte. Die jeweiligen einstimmig gefassten Beschlüsse seien zudem auch nicht mehr anfechtbar, weil diesen eben alle Gesellschafter zugestimmt haben, was den Verlust der Anfechtungsberechtigung zur Folge hat.

Aufgrund der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Beschlüsse handelt es sich um offene Ausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG. Weil aber an den Kläger selbst keine Gewinne ausgeschüttet worden sind, und dies durch die Beschlüsse auch nicht beabsichtigt war, hat dieser keine Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern. Eine offene Gewinnausschüttung floss eben nur der B-GmbH zu. Auch eine verdeckte Gewinnausschüttung lag nicht vor. Vor dem Hintergrund der wirksam gefassten Gesellschafterbeschlüsse und der daher offenen Gewinnausschüttungen kommt es nämlich auch nicht darauf an, dass der Kläger die B-GmbH beherrschte.

Der BFH folgt dem FA auch nicht in der Hinsicht, dass die Vorabausschüttungen einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten gem. § 42 AO darstellen. Der BFH festigt seine bisherige Rechtsprechung und führt dazu aus, dass offene inkongruente Gewinnausschüttungen, die mit dem Gesellschaftsrecht in Einklang stehen, steuerrechtlich anzuerkennen sind. Dies hat der BFH bisher nur für verdeckte inkongruente Gewinnausschüttungen entschieden.


Fazit

Wenngleich das Urteil inhaltlich zu begrüßen ist, weil die Rechtsprechung ihre Linie zur zivilrechtlichen Maßgeblichkeit von (inkongruenten) Gewinnausschüttungen und deren steuerliche Anerkennung fortsetzte, ist Vorsicht geboten. Das Urteil betraf ausdrücklich einen Sachverhalt mit einem (einmaligen) satzungsdurchbrechenden Beschluss. Der sicherste Weg ist und bleibt im Gesellschaftsvertrag (Satzung) eine abweichende Gewinnverteilung zu ermöglichen.

 

Ansprechpartner

  • Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht Niels Doege

    Niels Doege

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  • Rechtsanwältin Lisa Grasel

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