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Wachstumschancengesetz beschlossen – Welche Maßnahmen haben das Gesetzgebungsverfahren überstanden?!

Veröffentlicht: 2. April 2024
Von: Prof. Dr. Oliver Middendorf, Niklas Helmsorig

Nachdem der Bundesrat dem Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz zugestimmt hat, erfolgte am 27.3.2024 die Verkündung im Bundesgesetzblatt. Das Ziel der geplanten Neuerungen ist es, die Wirtschaft zu entlasten und den Standort Deutschland zu stärken.  Das finale Gesetz enthält dabei wesentliche Änderungen gegenüber den vorherigen Gesetzesentwürfen. Nachfolgend haben wir die wichtigsten Änderungen zusammengestellt:

 

Der Bundestag hatte bereits am 17.11.2023 das sog. Wachstumschancengesetz („Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“) beschlossen. Im Bundesrat fand das Gesetz jedoch nicht die notwendige Zustimmung, so dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrief. Im Vermittlungsausschuss ist das Gesetz noch in wesentlichen Punkten geändert worden.

Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Änderungen/ Neuerungen, die das Gesetzgebungsverfahren überstanden haben und welche nicht:

Einkommensteuer

  • Geschenke, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG
    Die Freigrenze für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wird von 35 EUR auf 50 EUR angehoben. Gilt für Wirtschaftsjahre mit Beginn nach dem 31.12.2023.
  • Degressive Abschreibung, § 7 Abs. 2 S. 1 EStG
    Für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31.03.2024 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt werden, wird die Option zur degressiven Abschreibung wieder eingeführt. Dabei sind bis zu 20 %, höchstens jedoch das 2,0-fache der linearen AfA anzusetzen. Vor dem Vermittlungsausschuss war die Wiedereinführung für Anschaffungen/ Herstellungen nach dem 30.9.2023 geplant.
  • Degressive Abschreibung für Wohngebäude, § 7 Abs. 5a EStG
    Für Wohngebäude wird eine degressive Abschreibung mit 5 % befristet auf 6 Jahre eingeführt, sofern der Baubeginn nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 erfolgt. Bei einer Anschaffung ist die degressive AfA nur möglich, wenn der obligatorische Vertrag nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 rechtswirksam abgeschlossen wird. Unter dieser Regelung fallen alle Wohngebäude innerhalb der EU und dem EWR, allerdings keine Bestandsgebäude. Vor dem Vermittlungsausschuss war eine degressive Abschreibung mit 6 % vorgesehen.
  • Sonderabschreibung, § 7 Abs. 5 EStG
    Steuerpflichtige konnten bislang für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und den folgenden vier Wirtschaftsjahren bis zu 20 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als zusätzliche Sonderabschreibung in Anspruch nehmen. Dieser Abschreibungshöchstbetrag wird auf 40 % erhöht.
    Voraussetzung ist, dass der Gewinn des Betriebs des Steuerpflichtigen im Vorjahr die Grenze von 200.000 EUR nicht übersteigt und das Wirtschaftsgut entweder vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen (fast) ausschließlich betrieblich genutzt wird. Gilt für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern nach dem 31.12.2023. Vor dem Vermittlungsausschuss war eine Erhöhung des Abschreibungshöchstbetrags auf 50 % vorgesehen.
  • Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau, § 7b EStG
    Steuerpflichtige können für die Anschaffung oder Herstellung neuer Wohnungen im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und den folgenden drei Wirtschaftsjahren bis zu 5 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten als zusätzliche Sonderabschreibung in Anspruch nehmen. Die Baumaßnahme muss dabei auf Grund eines nach dem 31.8.2018 und vor dem 1.1.2022 oder nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.10.2029 (bisher 1.1.2027) gestellten Bauantrags/ Bauanzeige hergestellt werden.
    Die Anschaffungs-/ Herstellungskosen pro qm Wohnfläche dürfen 5.200 EUR nicht übersteigen. Die Bemessungsgrundlage für die Sonderabschreibung beträgt max. 4 TEUR (bisher 2.500 EUR). Gilt ab dem Veranlagungszeitraum 2023.
  • Erweiterter Verlustvortrag, § 10d Abs. 2 EStG
    Nicht ausgeglichene negative Einkünfte können bis zu einer Höhe von 1 Mio. EUR (Ehegatten 2 Mio. EUR) unbeschränkt abgezogen werden. Darüber hinaus bislang i.H.v. 60 % (sog. Mindestbesteuerung). Diese Grenze wird für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 auf 70 % angehoben. Dies gilt ebenfalls für die Körperschaftsteuer, allerdings nicht für die Gewerbesteuer. Ab dem Veranlagungszeitraum 2028 wird die Verlustverrechnung des dem Sockelbetrag übersteigenden Betrags wieder nur mit 60 % möglich sein. Vor dem Vermittlungsausschuss war eine Erhöhung auf 75 % angedacht gewesen.
  • Thesaurierungsbegünstigung für Personengesellschaften, § 34a EStG
    Die Thesaurierungsbegünstigung wird durch unterschiedliche Maßnahmen, wie z.B. die Erhöhung des begünstigungsfähigen Gewinns verbessert. Dies hat zur Folge, dass den Gesellschaftern zukünftig ein höheres Thesaurierungsvolumen zusteht.
  • Maßnahmen, die u.a. entfallen sind:
    • Anhebung der Betragsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter auf 1 TEUR, § 6 Abs. 2 EStG
    • Anhebung der Betragsgrenze für Sammelposten auf 5 TEUR sowie Senkung der Auflösungsdauer auf drei Jahre; § 6 Abs. 2a EStG
    • Erweiterung des Verlustrücktrags auf drei Jahre sowie Anhebung des Höchstbetrags auf 10 Mio. € bzw. 20 Mio. €, § 10d EStG

Körperschaftsteuer

  • Option zur Körperschaftsbesteuerung für Personengesellschaften, § 1a KStG
    Bislang konnten Personenhandels- oder Partnergesellschaften auf unwiderruflichen Antrag für Zwecke der Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft und ihre Gesellschafter wie die nicht persönlich haftenden Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft behandelt werden. Ab dem jetzigen Zeitpunkt gilt diese Antragsmöglichkeit für alle Personengesellschaften. Zudem werden praktische Probleme beseitigt.

Gewerbesteuer

  • Erweiterte Grundstückskürzung, § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
    Unternehmen können unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag den Teil des Gewerbeertrags kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Nach § 9 Nr. 1 S. 3 b) GewStG ist die erweiterte Grundstückskürzung auch dann möglich, wenn Einnahmen aus der Lieferung von Strom erzielt werden und diese im Wj nicht höher als 10 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes sind (sog. Unschädlichkeitsgrenze).
    Um den Ausbau der Solarstromerzeugung und den Betrieb von Ladesäulen weiter voranzutreiben, steigt die Unschädlichkeitsgrenze von 10 % auf 20 %. Gilt ab dem Erhebungszeitraum 2023.

Einführung einer Investitionsprämie

  • Vor dem Vermittlungsausschuss war für Steuerpflichtige mit Gewinneinkünften eine neu eingeführte Investitionsprämie für die Anschaffung oder Herstellung neuer beweglicher Vermögensgegenstände des Anlagevermögens geplant, die die Energieeffizienz des Unternehmens verbessern sollte. Diese Prämie fand allerdings keinen Weg in das Gesetz.

FAZIT

Das Gesamtentlastungsvolumen von 3,2 Mrd. EUR wirkt in der Gesamtbetrachtung überschaubar. Ein echter Schub wird insbesondere durch die nun abgespeckte Version des Wachstumschancengesetzes im Vergleich zu den vorherigen Gesetzesvorlagen nicht zu erwarten sein. Sinnvolle bürokratische Entlastungen wie die Ausweitung des Sammelpostens oder die Erhöhung der GWG-Grenze hatten den Vermittlungsausschuss nicht überstanden. Zudem fällt u.a. die geplante Investitionsprämie weg und zum Teil dringend benötigte Verbesserungen, wie bspw. bei der steuerlichen Verlustverrechnung, wurden eingeschränkt. Allerdings profitieren insbesondere Immobilieninvestoren durch die Reaktivierung der Sonderabschreibung und der Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude von dem neuen Gesetz.

 

Dipl.-Kfm. Prof. Dr. Oliver Middendorf

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner

+49 40 822169034

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