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Des einen Freud, des anderen Leid – das Hypotax-Verfahren bei Auslandsentsendungen aus Sicht des Arbeitsrechts

Veröffentlicht: 26. Januar 2023

Zu Jahresbeginn veröffentlichte das höchste deutsche Arbeitsgericht eine interessante Entscheidung im Zusammenhang mit Auslandsentsendungen (BAG, Urteil v. 07.09.2022 – 5 AZR 128/22). Es ging um die Überprüfung steuerrechtlicher Regelungen in einer Entsendungsvereinbarung, die der Arbeitnehmer nicht mehr gegen sich gelten lassen wollte. Es ging hierbei um die Vereinbarung eines Steuerausgleichs zwischen den Parteien im Rahmen eines Hypotax-Verfahrens. Das BAG entschied nunmehr, dass der Arbeitnehmer eine solche Steuerausgleichs-Vereinbarung grundsätzlich gegen sich gelten lassen muss, auch wenn diese von Nachteil für den Arbeitnehmer ist. Ein Wermutstropfen für den Arbeitgeber bleibt jedoch, wenn eine Entsendungsvereinbarung mit zwingenden tarifvertraglichen Vorschriften kollidiert.

Die Abstimmung steuerrechtlicher Auswirkungen in Entsendungsfällen ist für Arbeitgeber durchaus komplex, da in grenzüberschreitenden Fällen eben nicht nur das (bekannte) deutsche Steuerrecht eine Rolle spielt. Plötzlich müssen sich Arbeitgeber und entsandter Arbeitnehmer mit ihnen völlig unbekannten Steuersystem im Ausland auseinandersetzen, die ihre eigenen Spielregeln haben.

Eine Analogie zu deutschem Steuerrecht zu ziehen ist gefährlich und oftmals auch unzutreffend. Ohne entsprechende Abstimmung der steuerlichen „Spielregeln“ im Ausland - bestenfalls im Vorfeld der Entsendung - kann es für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Entsendungsfällen zu unschönen Überraschungen im  Ausland kommen. So gab es schon Fälle im asiatischen Raum, in dem der deutschen Mitarbeiterin die Ausreise nach der Entsendung verweigert wurde, weil es an der Abgabe einer ausländischen Steuererklärung fehlte.

Aber auch wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich wissen, dass ausländisches Steuerrecht relevant wird für die Entsendungsdauer, kann dies zu Streitigkeiten zwischen den Beteiligten führen.

So auch im Fall, denn das Bundesarbeitsgericht entscheiden musste. In dem genannten Fall wurde ein Mitarbeiter nach Frankreich entsandt für einen längeren Zeitraum. Es war während der Entsendung französisches Steuerrecht anwendbar. Wie in den Entsendungsvereinbarungen im Unternehmen üblich, wurde mit dem Mitarbeiter vereinbart, dass während der Entsendung das Prinzip des Steuerausgleichs (tax equalisation) Anwendung findet. Auf dieser Grundlage übernahm der Arbeitgeber die in Frankreich anfallenden Steuern. Von dem Bruttogehalt des Mitarbeiters wurde dann eine hypothetische deutsche Steuer abgezogen vor Auszahlung an den Mitarbeiter.

Die hypothetische Lohnsteuer ist in einer solchen Vereinbarung lediglich ein Rechenposten und wird nicht wirklich abgeführt. Es wird somit ein Gehalt unter den deutschen Voraussetzungen „simuliert“, so dass der Mitarbeiter während der Entsendung die gleiche Steuerbelastung trägt, wie bei einer Tätigkeit in Deutschland. Es handelt sich im Ergebnis dann um den Abschluss einer Nettolohnvereinbarung, der zunächst einmal für beide Parteien bindend ist.

Solche Vereinbarungen sind im Rahmen von Entsendungen durchaus üblich und sollen den Mitarbeitern Schutz vor ungewünschten steuerlichen Auswirkungen der Entsendung im Ausland geben. Der Arbeitgeber kann sich hierbei entscheiden, ob er den Mitarbeiter im Rahmen eines Hypotax-Verfahrens lediglich vor ausländischen Mehrbelastungen schützen will (tax protection) oder ob der Mitarbeiter insgesamt so gestellt wird, wie unter einer (hypothetischen) deutschen Steuer (tax equalisation). Die letztgenannte Option kann jedoch dazu führen, dass der Mitarbeiter unter dem Schutzschild einer fiktiven deutschen Steuer zwar während seiner Entsendung nicht schlechter gestellt wird als er es in Deutschland wäre; etwaige Steuervorteile aus der Entsendung kann er jedoch nicht nutzen. Aus Sicht eines global agierenden Arbeitgebers insbesondere in Konzern-Strukturen ist die grundsätzliche Vereinbarung einer tax equalisation für alle Entsendungen dann eine Mischkalkulation, die für den Arbeitgeber mal vorteilhaft (niedriger Steuersatz Ausland) oder nachteilig sein kann (hoher Steuersatz Ausland). Die Auswirkung einer Steuerausgleichs-Vereinbarung ist für den Arbeitnehmer genau umgekehrt – die Vereinbarung kann mal vorteilhaft (hoher Steuersatz Ausland) oder auch mal nachteilig sein (niedriger Steuersatz Ausland). Die Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer können daher bei Anwendung des Hypotax-Verfahrens durchaus auseinanderfallen.

Im Fall vor dem BAG kam es, wie es kommen musste – die mit dem Mitarbeiter getroffene Vereinbarung war für diesen nicht vorteilhaft, weil die französische Steuer niedriger war als die hypothetische deutsche Steuer. Zudem war während der Entsendungszeit ein Tarifvertrag anwendbar geworden, der die (verbindliche) Zahlung eines Bruttoentgelts vorsah.

Die getroffene Nettolohnvereinbarung war unter Berücksichtigung des tax equalisation Prinzips für den Mitarbeiter daher nachteiliger als die im Tarifvertrag getroffene Regelung einer Bruttolohnvergütung.

Das Gericht gab dem Arbeitgeber am Ende nur „halb“ Recht: Grundsätzlich darf der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer eine - für diesen ggf. nachteilige - Nettolohnvereinbarungen treffen. Sobald jedoch ein Tarifvertrag für beide Seiten verpflichtend Anwendung findet (beiderseitige Tarifgebundenheit), geht die zwingende tarifvertragliche Regelung der Regelung im Entsendungsvertrag vor. Im Zusammenhang mit zwingend anzuwendenden Tarifverträgen ist daher Vorsicht geboten, wenn von solchen tarifvertraglichen Regelungen aufgrund vertraglicher Regelungen abgewichen werden soll.


Fazit

Sofern kein Tarifvertrag zwingend Anwendung findet, bestätigt das Urteil des BAG dem Arbeitgeber jedoch grundsätzlich die Anwendung des Hypotax-Verfahrens. Arbeitnehmer können sich demnach nach Abschluss einer Nettolohnvereinbarung mit Steuerausgleichsmechanismus nicht darauf berufen, dass diese Vereinbarung am Ende steuerlich nicht vorteilhaft für sie war.
 
 

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