Steuerliche Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen
Veröffentlicht: 19. November 2024
aus
Steuern & Wirtschaft aktuell 4-2024
Von:
Claudia Surkamp
Das Bundesfinanzministerium hat am 4.9.2024 die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von Gewinnausschüttungen, die von den Beteiligungsverhältnissen abweichen, gelockert. Danach ist für abweichende (Vorab-)Ausschüttungen ein einstimmiger Gesellschafterbeschluss ausreichend. Eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag ist nicht mehr erforderlich.
Die Finanzverwaltung erkannte von den Beteiligungsverhältnissen abweichende, sog. inkongruente Gewinnausschüttungen bislang nur an, wenn diese im Gesellschaftsvertrag (zumindest durch eine Öffnungsklausel) geregelt waren und kein Gestaltungsmissbrauch vorlag. Der Bundesfinanzhof entschied am 28.9.2022, dass auch ein satzungsdurchbrechender Gesellschafterbeschluss über eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende, sog. inkongruente (Vorab-)Ausschüttung steuerlich anzuerkennen ist.
Das Bundesfinanzministerium hat sich am 4.9.2024 dieser Auffassung angeschlossen. Inkongruente Gewinnausschüttungen bei Kapitalgesellschaften werden jetzt in folgenden Fällen anerkannt:
- Im Gesellschaftsvertrag wurde ein abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt und die Ausschüttung entspricht diesem Verhältnis.
- Der Gesellschaftsvertrag enthält eine Klausel, nach der mit Zustimmung der beeinträchtigten Gesellschafter eine abweichende Gewinnverteilung beschlossen werden kann, und der Beschluss wurde wirksam gefasst.
- Es gibt keine entsprechenden Regelungen im Gesellschaftsvertrag, aber die Gesellschafter haben eine inkongruente Vorabausschüttung einstimmig beschlossen. Der Beschluss darf sich in diesem Fall nur auf eine einzelne Ausschüttung beziehen und keine Dauerwirkung (auch nicht für einen begrenzten Zeitraum) beinhalten.
- Die Gesellschafter beschließen, dass der quotal auf den Mehrheitsgesellschafter entfallende Gewinnanteil in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt und nur der Gewinn der Minderheitsgesellschafter ausgeschüttet wird. Der in die Gewinnrücklage eingestellte Gewinnanteil führt auf Gesellschafterebene nicht zur Besteuerung von Kapitaleinkünften.
Davon abweichend sind bei einer Aktiengesellschaft inkongruente Gewinnausschüttungen nur anzuerkennen, wenn in der Satzung ein vom Verhältnis der Anteile am Grundkapital abweichender Gewinnverteilungsschlüssel festgelegt wurde und die Ausschüttung diesem Verhältnis entspricht. Eine inkongruente Gewinnausschüttung aufgrund einer Öffnungsklausel in der Satzung oder eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses erfüllt diese Voraussetzung nicht.
FAZIT
Die geänderte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung zu inkongruenten Gewinnausschüttungen ist zu begrüßen, da sie zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten für Gesellschafter sowie größere Rechtssicherheit schafft. Sie ist in allen noch offenen Fällen anwendbar.
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