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Erleichterungen bei der Unternehmensnachfolgeplanung für Handelsunternehmen

Veröffentlicht: 27. August 2024 aus Steuern & Wirtschaft aktuell 3-2024
Von: Prof. Dr. Oliver Middendorf

Im Rahmen der Übertragung von Unternehmen mit einem hohen Bestand an Finanzmitteln besteht regelmäßig das Risiko, dass diese den sog. 90 %-Einstiegstest nicht bestehen. Bei Nichtbestehen werden die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen vollständig nicht gewährt. Am 13.9.2023 hatte der Bundes­finanzhof für Handelsunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft Erleichterungen für den 90 %-Einstiegstest zugelassen. Mit gleichlautenden Ländererlassen vom 19.6.2024 ist die Finanzverwaltung der Entscheidung des Bundesfinanzhofs teilweise gefolgt.

 

Bei der Übertragung von betrieblichem Vermögen kommen erbschaft- und schenkungsteuerliche Begünstigungen nur dann in Betracht, wenn der Wert des übergehenden unproduktiven Verwaltungsvermögens 90 % des Wertes des gesamten übergehenden betrieblichen Vermögens unterschreitet (sog. 90 %-Einstiegstest). Problematisch daran ist, dass das Gesetz das schädliche Verwaltungsvermögen (brutto) ansetzt, d. h., ein Abzug von Schulden ist nicht zugelassen, während der Unternehmenswert (netto) und damit unter Berücksichtigung von Schulden anzusetzen ist.

Bei gewerblich tätigen Unternehmen, die aufgrund ihres Geschäftsmodells einen hohen Bestand an zum Verwaltungsvermögen zählenden Finanzmitteln haben (insbesondere Forderungen aus Lieferungen und Leistungen), kann dieser Umstand in vielen Fällen zu einem Nichtbestehen des 90 %-Einstiegstests führen, mit der Folge, dass keine erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen gewährt werden. Dieser Umstand wird als unangemessen und ggf. sogar verfassungswidrig angesehen.

Am 13.9.2023 entschied der Bundesfinanzhof, dass der 90 %-Einstiegstest bei der Übertragung von originär gewerblichen Handelsunternehmen zwar weiterhin anzuwenden sei, indes könne entgegen dem Gesetzeswortlaut bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens für die Zwecke des 90 %-Einstiegstests eine Verrechnung mit den betrieblich veranlassten Schulden erfolgen. Eine solche „eingrenzende Aus­legung“ gebiete die gesetzliche Systematik sowie der Sinn und Zweck der Regelung; sie sei außerdem vom Willen des Gesetzgebers gedeckt.

Dieser Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist die Finanzverwaltung mit gleichlautenden Ländererlassen vom 19.6.2024 teilweise gefolgt. Die Anwendung ist dabei nicht nur auf Kapitalgesellschaften (Urteilsfall) begrenzt, sondern gilt auch für gewerbliche Personengesellschaften sowie Einzelunternehmen. Erfreulich ist außerdem, dass das neue Verfahren nicht auf Handelsunternehmen beschränkt wird. Das übertragene Betriebsvermögen muss nach seinem Hauptzweck einer operativen wirtschaftlichen Tätigkeit dienen.

Nicht gefolgt ist die Finanzverwaltung dem Bundes­finanzhof beim Abzug von Schulden von jungen Finanzmitteln. Als junge Finanzmittel wird der Saldo der innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Übertragung eingelegten und entnommenen Finanzmittel bezeichnet. Während der Bundesfinanzhof einen Abzug der Schulden bei jungen Finanzmitteln gebilligt hat, nimmt die Finanzverwaltung die jungen Finanzmittel von der Schuldenverrechnung aus.

FAZIT

Die Ländererlasse der Finanzverwaltung vom 19.6.2024 sind zu begrüßen, da sie die evident unangemessenen und gleichheitswidrigen Rechtsfolgen, die sich bei der wortlautgetreuen uneingeschränkten Anwendung des 90 %-Einstiegstests ergeben können, zu einem Großteil korrigieren. Bei gewerblich tätigen Unternehmen kann dies zu einer merklichen Erleichterung von Unternehmensnachfolgeplanungen führen.

Dipl.-Kfm. Prof. Dr. Oliver Middendorf

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner

+49 40 822169034

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Steuern & Wirtschaft
aktuell 3-2024

Veröffentlicht: 28. August 2024

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