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Ermittlung von Beta-Faktoren im Rahmen der Unternehmensbewertung nach IDW S 1 am Beispiel eines nicht börsennotierten internationalen Automobilzulieferers

Die Berechnung des Beta-Faktors ist für den Bewerter eine komplexe Aufgabe. Geringe Änderungen beim Beta-Faktor können große Auswirkungen auf den Unternehmenswert haben. So kann eine Änderung des unlevered Betas von 1,0 auf 1,1 den Unternehmenswert abhängig vom Verschuldungsgrad um ca. 10 Prozent oder mehr verändern. Daher ist eine korrekte Berechnung des Beta-Faktors essentiell für die Ermittlung eines Unternehmenswertes nach IDW S1. Aus diesem Grund ermitteln wir unternehmensindividuell die Beta-Faktoren für das zu bewertende Unternehmen mit Hilfe von Daten eines Finanzdienstleisters (Bloomberg).

Im Folgenden wollen wir beschreiben, was ein Beta-Faktor überhaupt ist und wie wir diesen in der Praxis ermitteln.

Was ist eigentlich ein Beta-Faktor und wofür braucht man ihn?

Für die Bewertung eines Unternehmens sind die künftig zu erwartenden Nettozuflüsse an die Anteilseigner mit einem geeigneten Kapitalisierungszinssatz auf den Bewertungsstichtag abzuzinsen. Ökonomisch betrachtet bildet der Kapitalisierungszinssatz die Entscheidungsalternative eines Investors ab, der die Rendite seiner Investition in ein bestimmtes Unternehmen mit der Rendite einer entsprechenden Alternativanlage in Unternehmensanteile vergleicht.

Als Ausgangsgrößen für die Bestimmung der Alternativrenditen kommen insbesondere beobachtbare Kapitalmarktrenditen in Betracht. Sie lassen sich grundsätzlich in einen risikolosen Basiszinssatz und in eine von den Anteilseignern aufgrund der Übernahme des unternehmerischen Risikos geforderte Risikoprämie zerlegen. Zur Erklärung der Aufteilung der Risikoprämien kann auf Kapitalmarktmodelle, insbesondere das Capital Asset Pricing Model (CAPM) zurückgegriffen werden. Ein wesentlicher Parameter innerhalb dieses Modells ist der sogenannte Beta-Faktor.

Der Beta-Faktor ist ein Maß für das systematische Risiko des Unternehmens. Bei der Ermittlung des Betas greift man auf am Kapitalmarkt beobachtbare Aktienkursrenditen zurück und vergleicht die Schwankungen des Aktienkurses des Unternehmens mit den Aktienkursschwankungen des Gesamtmarktes, d. h. der Beta spiegelt das branchen- und unternehmensspezifische Risiko einschließlich des Kapitalstrukturrisikos einer Aktie im Verhältnis zum Marktrisiko wider. Je höher der Beta-Faktor, desto höher ist die geforderte Risikoprämie. Dabei bedeutet ein Beta-Faktor größer eins ein im Vergleich zum Gesamtmarkt aller Aktien überdurchschnittliches, ein Beta-Faktor von kleiner eins ein im Vergleich zum Gesamtmarkt unterdurchschnittliches Risiko.

Wie ermittele ich einen Beta-Faktor?

Wenn wir ein börsennotiertes Unternehmen bewerten, dann greifen wir auf die am Kapitalmarkt beobachtbaren Beta-Daten direkt zurück. Häufig bewerten wir jedoch nicht börsennotierte Unternehmen. Da für diese Unternehmen keine eigenen am Kapitalmarkt beobachtbare Beta-Faktoren vorliegen, verwenden wir empirische Beta-Faktoren von Vergleichsunternehmen und gehen dabei wie folgt vor:

  1. Analyse und Bestimmung einer Gruppe von Vergleichsunternehmen (Peer Group)
  2. Ermittlung der Peer-Beta-Faktoren und Prüfung ihrer Güte
  3. Un- und Relevern der Beta-Faktoren


Zu 1)
Bei der Analyse und Bestimmung einer geeigneten Peer Group werden im ersten Schritt die wesentlichen Werttreiber des Geschäftsmodells des Bewertungsobjekts identifiziert. Darauf aufbauend bestimmen wir mit Hilfe von Suchfunktionen bei Bloomberg eine Gruppe von Vergleichsunternehmen. Für diese Vergleichsunternehmen machen wir ein Scoring und leiten daraus die finale Peer Group ab. Deren Auswahl orientiert sich an der Vergleichbarkeit substanzieller Indikatoren, wie z. B. Branche/Geschäftsfeld, Umsatzentwicklung, Anlagenintensität, Forschungs- und Entwicklungsaufwand, etc. Im Ergebnis weist die Peer Group trotz der in der Regel unterschiedlichen Größe hinsichtlich des Risikos eine hinreichende Ähnlichkeit mit dem Bewertungsobjekt auf.

Zu 2)
Für die Ermittlung und Güteprüfung der Beta-Faktoren der Peer Group greifen wir auf Kapitalmarktdaten von Bloomberg zurück. Wir treffen für die Beta-Berechnung Entscheidungen hinsichtlich verschiedener Fragestellungen:

  • Nehme ich das Raw Beta oder das Adjusted Beta?
  • Welchen Vergleichsindex nehme ich?
  • Welchen Zeitraum nehme ich?
  • Was für ein Renditeintervall nehme ich?
  • Welchen Wochentag nehme ich?


In der Regel legen wir bei der Beta-Ermittlung einen Beobachtungszeitraum von zwei Jahren (mit einem wöchentlichen Renditeintervall) oder fünf Jahren (mit monatlichen Renditeintervall) zugrunde. Bezüglich des zu wählenden Referenzindex, der als Näherung für die Marktrendite dient, verwenden wir in der Regel jeweils den breitesten Landesindex (in Deutschland z.B. den CDAX) des entsprechenden Vergleichsunternehmens.

Da Aktienkurse, die wenig gehandelt werden, Kursschwankungen aufweisen, die lediglich mit dem geringen Handelsvolumen und nicht mit dem Risiko der Aktie zusammenhängen, müssen wir die Beta-Faktoren auf ihre Verwendbarkeit hin überprüfen. Daher prüfen wir die Qualität der Beta-Faktoren sowohl im Hinblick auf ein hinreichendes Handelsvolumen, z.B. anhand der Geld-Brief-Spanne, als auch hinsichtlich der statistischen Signifikanz mittels der Durchführung eines T-Tests und der Würdigung des Regressionskoeffizienten.

Zu 3)
Die am Kapitalmarkt beobachtbaren Renditen sind nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Verschuldung des Unternehmens ablesbar, so dass der auf Bloomberg abrufbare Beta-Faktor neben den operativen Risiken auch die Finanzierungsrisiken enthält. Dieses Beta heißt levered Beta-Faktor oder verschuldeter Beta-Faktor.

Um das systematische Risiko isoliert zu erhalten, müssen wir die levered Beta-Faktoren um das Finanzierungsrisiko bereinigen; dieses Vorgehen nennt man unlevern. In der Praxis erfolgt das unlevern mit Hilfe unterschiedlicher Berechnungsformeln. Der Bewerter muss sich in diesem Zusammenhang fragen, welches die durchschnittliche Verschuldung ist: Berücksichtigt man nur das Fremdkapital des Unternehmens oder zieht man vom Fremdkapital die Cashbestände ab?

Aus dem Mittelwert oder dem Median der unverschuldeten Betas unserer Vergleichsgruppe ermitteln wir den unlevered Beta-Faktor unseres Bewertungsobjektes.

Im letzten Schritt ist der unverschuldete Beta-Faktor an die individuelle Kapitalstruktur des Bewertungsobjekts anzupassen (sogenanntes relevern). Dadurch ergibt sich der verschuldete Beta-Faktor des Bewertungsobjekts, der multipliziert mit der Marktrisikoprämie den Risikozuschlag innerhalb des Kapitalisierungszinssatzes darstellt.

Beispiel: Internationaler Automobilzulieferer

Im Zuge der Bewertung eines internationalen Automobilzulieferers haben wir den unternehmensspezifischen Beta-Faktor entsprechend der erläuterten Vorgehensweise berechnet.

Im ersten Schritt haben wir nach einer intensiven Analyse des Geschäfts- und Wettbewerbsumfelds und eines Scorings der wichtigen Werttreiber eine Peer Group bestimmt.

Aus dieser Peer Group haben wir im zweiten Schritt die zugehörigen Beta-Faktoren abgeleitet. Dabei haben wir einen Beobachtungszeitraum von zwei Jahren (mit einem wöchentlichen Renditeintervall), den breitesten Landesindex und die Raw Betas verwendet. Zudem haben wir alle Betafaktoren auf ihre Gängigkeit überprüft und festgestellt, dass diese verwendbar sind.

Es ergaben sich folgende Beta-Faktoren:

Im dritten Schritt haben wir die levered Beta-Faktoren unlevered, in dem wir das Kapitalstrukturrisiko eliminiert haben. Wir haben sowohl die Fremdkapitalbestände als auch die Cashbestände berücksichtigt, wenn diese aus unserer Sicht nicht für das operative Geschäft benötigt wurden. Wir haben dabei folgende Formel verwendet:

Die unlevered Beta-Faktoren der Peer Group sahen wie folgt aus:

Das kleinste Beta liegt bei 0,985, die übrigen Betas liegen zwischen 1,241 und 1,291 nahe beieinander. Im Median ist das Beta bei 1,268. Die Ähnlichkeit der Betafaktoren zeigt uns, dass unsere Vergleichsunternehmen alle ein ähnliches systematisches Risiko haben und sich hinsichtlich des Risikos nicht stark unterscheiden; dies unterstreicht für uns als Bewerter die Güte der Verwendbarkeit der Beta-Faktoren.

Das Beta über 1 bedeutet, dass das Beta unser Vergleichsunternehmen ein höheres systematisches Risiko hat als der Durchschnitt. Dieses Ergebnis haben wir erwartet, da ein Automobilzulieferer ein höheres Risiko hat als andere Unternehmen; daher war auch die Höhe des Beta-Faktors für uns als Bewerter plausibel.

Korrespondierend zur vorgestellten Verfahrensweise haben wir darauf aufbauend den ermittelten unlevered Beta-Faktor an die individuelle Finanzierungsstruktur des Bewertungsobjekts angepasst.
 

Ansprechpartner

  • Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, CVA und Mediator Benedikt Kastrup

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