Stückmann live

Wir brauchen positive Nachrichten

 

Wir sprechen heute im dritten Jahr miteinander – und es geht wieder einmal um Krisen, die Sie und Ihre Mandantschaft bewältigen müssen. Nehmen Sie das noch so wahr oder ist die Krise heute zur Normalität geworden?

Dietmar Engel: Spricht man von Krisen, dann denken viele ja zunächst an Corona: Hier kann man festhalten, dass unsere Mandantschaft sehr gut durch die Corona-Krise gekommen ist; ganz wenige hatten damit wirklich zu kämpfen. Ähnliches gilt auch für die durch den russischen Angriffskrieg ausgelöste Ukraine-Krise. Jetzt kommt aber ein strukturelles Problem hinzu. Es fällt uns auf der politischen Ebene schwer, Lösungen zu den großen Herausforderungen zu finden. Es macht einen ein wenig betroffen, wenn der Internationale Währungsfonds Deutschland als einzigem westlichen Land für 2023 ein negatives und für 2024 ein nur geringes Wachstum voraussagt – alle anderen Länder um uns herum machen da gerade gegebenenfalls einiges besser und das merken die Menschen, Unternehmen und somit natürlich auch unsere Mandantinnen und Mandanten.

Und wie sehen Sie hier die Entwicklung? Sitzen wir in einem Jahr hier und sagen: Ach, diese dritte Krise haben wir dann auch gut gemeistert?

Alexander Kirchner: Nein, ich glaube, das geht leider tiefer, diese Strukturkrise dauert länger. Bis sich die Stimmung aufhellt, wird es sicherlich bis zur nächsten Bundestagswahl dauern.

DE: Ich habe im Jahr 2000 in London gearbeitet, da gab es eine richtige Euphorie in Sachen New Economy, vergleichbar mit der Start-up-Kultur der letzten Jahre – auch da galt Deutschland mal als kranker Mann in Europa. Dann kam die Agenda 2010, die ihre ersten Wirkungen 2003, 2004 gezeigt hat.
Damit ging es aufwärts und wir haben viele andere Länder sogar im Wachstum überflügelt. Die Situation heute erscheint vergleichbar – Veränderungen brauchen Zeit, da sollten wir keine Wunderheilung erwarten. Viel wichtiger ist aber, dass wir jetzt endlich anfangen – und unser größtes Problem ist gerade, dass man den Eindruck hat, es dauert alles zu lange, bis die Politik Ergebnisse zustandebringt. Doch wenn wir in einem Jahr hier sitzen und sagen könnten: Wir sind auf einem guten Weg, der Start ist gemacht, dann wäre das schon ein gutes Zeichen – mehr kann man, glaube ich, nicht erwarten, nicht erhoffen.

AK: Man fragt sich, was aktuell die großen Themen sind. Das ist auf der einen Seite sicher der Fachkräftemangel, der uns die kommenden 10 bis 15 Jahre noch bestimmt begleiten wird, das ist altbekannt. Für die bislang zu hohen Energiekosten gibt es – zumindest für Industrie und Mittelstand – eine Lösung. Doch es drückt einfach auf die allgemeine Stimmung in der Wirtschaft, dass wir einen Staat haben, der nicht so funktioniert, wie man sich das vorstellt. Wir haben aktuell eine Verwaltung, die durch zu viele Vorschriften gelähmt ist. Und sehr viel an zusätzlichem Bürokratismus wird auf die Unternehmen abgewälzt. Stichworte: Whistleblower-Richtlinie, Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und Nachhaltigkeitsberichterstattung. Alles gut gemeinte Anliegen, doch in Deutschland deutlich überreguliert. Und das bremst den Unternehmergeist, da wird nicht mehr gewagt und investiert, da wird nur noch auf Sicht gefahren und eher zurückhaltend agiert. Hier sollten die Leinen gelockert werden und dann bringen wir die PS auch wieder auf die Straße.

Reden wir denn hier eher über Fakten oder über ein Gefühl?

AK: Es ist ein Mix aus beidem, aus schlechten Rahmenbedingungen, damit verbundenen Zahlen und Fakten. Und einer Stimmung, die gute Nachrichten braucht, damit sie sich aufhellt. Wenn wir alle immer nur schlechte Nachrichten zu hören bekommen, dann wird das zu einer „self-fulfilling prophecy“, weil jeder glaubt, dass alles nur schlecht ist. Das ist natürlich nicht der Fall.

Diese Stimmung ist ja nicht nur bei den Unternehmer­innen und Unternehmern, sondern auch in der Bevölk­erung stark zu spüren. Ist die daraus resultierende Kaufzurückhaltung auch bei Ihren Mandantinnen und Mandanten angekommen?

AK: Das ist so ein Beispiel: Die Lohnerhöhungen der vergangenen 12 Monate waren alle überdurchschnittlich hoch und die meisten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben eigentlich durch Gehaltserhöhungen oder durch neue Tarifabschlüsse für einen sehr vernünftigen Ausgleich der hohen Inflation für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesorgt. Nun sinkt die Inflation wieder deutlich, den Verbrauchern geht es eigentlich recht gut. Doch das will gar keiner hören. Vielmehr erleben wir weiterhin Höchstforderungen der Gewerkschaften und Gerede über vermeintliche Ungerechtigkeiten. Doch allzu hohe Lohnkostensteigerungen sind freilich Gift in einer Phase der Konjunkturschwäche. Und fragt man die Einzelnen, kann kaum jemand behaupten, es ginge ihr oder ihm heute schlechter als vor 12 Monaten.

DE: Und dadurch entsteht auch Kaufzurückhaltung. Die Auftragseingänge vieler Unternehmen gehen merklich zurück, das merkt gerade fast jede Branche, fast die gesamte Wirtschaft. Diese Bremswirkung ist in der Industrie sicherlich etwas geringer, aber etwa im Möbelbereich, bei den Automobilisten ist die Kaufzurückhaltung schon stark spürbar. Da spielen aber auch Dinge hinein, die etwas mit Demographie und weniger mit dem Produkt als solches zu tun haben. Nehmen wir das Thema Dienstwagen: Menschen, die heute einen ihnen wichtigen Anspruch auf einen Dienstwagen habe, gehen jetzt nach und nach in den Ruhestand. Die Nachfolgerin oder der Nachfolger will aber vielleicht keinen Dienstwagen, arbeitet zeitweise im Homeoffice und sieht hierfür keine Notwendigkeit mehr, nimmt lieber das zusätzliche Bruttogehalt. Da fehlt plötzlich – auch wenn das ja an sich eher als Ausnahme eingeschätzt wird – schnell eine hohe Anzahl nachgefragter Autos im Jahr. Das sind winzige Wechselwirkungen, die noch kaum erfasst sind und sich doch auswirken werden. In der Corona-Zeit hat man renoviert, hat sich neu ausgestattet, es sich zu Hause nett gemacht, quasi in privates Anlagevermögen investiert. Da muss jetzt nichts mehr ersetzt, nichts mehr neu gekauft werden. Oder der Blick auf die Bauindustrie. Diese Branche war verwöhnt. Niedrigste Zinsen, hohe Nachfrage. Diese Industrie muss sich erst einmal wieder neu finden. Die höheren Zinsen bei einer Baufinanzierung erfordern neue Konzepte, auch z. B. von den Banken und Bausparkassen. Dann wird es sich ganz bestimmt wieder einruckeln, aber das dauert eben.

Glauben Sie denn, dass die Talsohle jetzt erreicht ist?

AK: In manchen Dingen wohl eher noch nicht. Es ist durchaus möglich, dass die Zinsen sogar noch ein, zwei kleine Schritte nach oben machen, aber dann wird es wieder in die andere Richtung gehen, da sind sich die Expertinnen und Experten einig. Beim Thema Inflation sind wir eigentlich schon wieder bei normalen Werten – das passt. Das, was aber noch sehr lange dauern wird, ist das Nachholen bei der Infrastruktur. Denn es ist ja leider nicht nur Gerede, dass wir zu wenig Glasfaserkabel, kaputte Straßen und zu wenig Schienennetz haben. An der Infrastruktur haben wir in den letzten 10 oder auch 15 Jahren zu viel gespart, das rächt sich jetzt. Da müssen wir als moderner Industriestandort ran, gerade auch, um die mittelständische Wirtschaft zu unterstützen.

 

Es gibt viel zu besprechen: Dietmar Engel wirft gemeinsam mit Alexander Kirchner einen Blick auf das scheidende und das neue Jahr.

Wenn Ihre Mandantinnen und Mandanten jetzt, in dieser Situation, zu Ihnen kommen und um Rat fragen, was antworten Sie ihnen?

DE: Die Botschaft hat sich im Vergleich zu den Jahren und Krisen zuvor nicht verändert: Guckt auf eure Liquidität. Cash is King. Wir merken jetzt, dass die Liquidität schwindet – was ja nicht verwundert. Ein sehr gutes Working Capital Management gehört also dazu, hier muss man sehr gut aufgestellt sein. Jetzt wo der Versorgungsengpass bei vielen Gütern wieder aufgelöst ist, wird es wichtig, dass man nicht mehr Materialien hortet, nicht mehr alles einkauft, was man bekommen kann. Augenmaß im Einkauf zur Sicherung der Liquidität ist hier sehr wichtig, das ist eine zentrale Botschaft. Es braucht da gedankliche Flexibilität, damit man nicht die falschen Einkaufs- und Versorgungsentscheidungen trifft. Das ist die Aufgabe der Einkäuferinnen und Einkäufer, die heute vor echten Herausforderungen stehen. Im Einkauf entscheidet sich gerade sehr viel, hier wird die Liquidität gesteuert, aber auch Ergebnis gemacht. Wie heißt es so schön: „Der Gewinn liegt im Einkauf.“ Was sich da in den vergangenen 24 Monaten an geändertem Verhalten getan hat, ist schon sehr bemerkenswert.

Wie verhalten sich bei all dem die klassischen ostwestfälischen Mandantinnen und Mandanten? Sind die eher Schönwettersegler, oder können sie, wie man heute so sagt, Krise?

AK: Die Ostwestfalen sind ja nicht allzu emotional, konsolidieren gerade ganz gut. Sie fahren, um im Bild zu bleiben, nicht einfach nur auf Sicht, sind nicht panisch unterwegs, haben eine große Linie. Das sind alles meist sehr besonnene Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihre einmal angestoßenen Projekte fortführen, sich nicht von kurzfristigen Schwankungen beeinflussen lassen. Die ostwestfälische Wirtschaft – also unsere typischen Mandantinnen und Mandanten – können Krise. Aber auch hier werden natürlich die aktuellen Entwicklungen beobachtet und bewertet. Dann werden Investments im In- oder Ausland genau abgewogen, wird nach Optimierungsalternativen, wenn sich Standortfaktoren verändern, gesucht.

DE: Viele Unternehmen sind jetzt vorsichtiger in der Bereitstellung von Wagnis-Kapital geworden. Doch die generelle Grundausrichtung der Unternehmen in OWL wird weiterverfolgt. Dass sich Geschäftsmodelle verändern, gehört auch dazu, ebenso wie sich die Frage zu stellen: Gibt es meinen Markt noch infünf Jahren und was bedeutet das für mein Unternehmen?

AK: Gleichzeitig beobachten wir auch, dass kleinere Standorte geschlossen werden, es den Unternehmen um Konzentration geht. Das muss nicht verkehrt sein, betriebswirtschaftlich ist das vielfach nachvollziehbar und richtig und in faktisch allen Fällen geschieht so etwas mit guten Lösungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und hinzu kommt, dass die Betroffenen bei betriebsbedingten Kündigungen schnell wieder eine neue Beschäftigung finden. Das hatten wir in Deutschland in solchen Umstrukturierungsphasen auch schon ganz anders. Wenn heute etwa ein Standort in der metallverarbeitenden Branche geschlossen wird, dann haben eigentlich alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr gute Chancen, direkt eine Anschlussbeschäftigung zu finden.

Wie sieht es bei den Unternehmen aus, die gerade wirklich Not leiden? Verstärkend ist da ja auch, dass das geänderte Insolvenzrecht nun wieder verändert wurde, spüren Sie hier eine Veränderung in der Beratung?

AK: Der Bedarf an Sanierungs- und Krisenberatungen ist bei uns ein wenig gestiegen – der allergrößte Teil unserer Mandantschaft ist allerdings sehr gut aufgestellt. Es geraten aber jetzt schon einige Unternehmen in Schieflage, auch deren Zulieferer – aber auch deren Mitbewerber. Wir hatten mehrere Fälle, bei denen Mitbewerber gekauft wurden, weil es gerade Sinn machte, weil so neue Märkte erschlossen, das Portfolio erweitert werden konnte. All das – wirtschaftliche Probleme, Insolvenzen, aber auch Unternehmenskäufe – steigt im Beratungsbedarf gerade an, das sieht man nicht nur in den Medien, das ist wahres Wirtschaftsleben.

DE: Wir hatten ja, wenn man es mal ganz hart betrachtet, in der Corona-Zeit eine faktische Aussetzung des Insolvenzrechtes. Das ist heute wieder zurückgedreht – und jetzt zeigt sich deutlicher, wer Probleme hat. Meist fängt es mit fehlender Liquidität an, dann kommen gestiegene Preise hinzu. Wer jetzt neue Kredite beantragt, der erlebt zurückhaltende Banken, weil bei ihnen die Ausfallrisiken steigen. Das sind die normalen Mechanismen, die jetzt greifen. Meist trifft so etwas zuerst die Kleinen, weil die Großen in den vergangenen Jahren Kapazitäten aufgebaut haben, die sie jetzt auf Kosten der Preise, der kleineren Marktbegleiter weiterhin auslasten wollen.

 

"Euphorie ist noch nicht angezeigt, ist sich Alexander Kirchner sicher."

Wie ist es denn bei Ihnen als Unternehmen, befinden Sie sich auch in einem – positiv gesprochenen – Krisenmodus, weil die Beratungen mehr nachgefragt werden als noch vor Ukrainekrieg und Corona?

AK: Ich würde unsere Situation hier bei HLB Stückmann aktuell als gute Auslastung der Kapazitäten einschätzen. Als Beraterinnen und Berater sind wir in Krisenzeiten ja noch gefragter, als in den normalen Zeiten. Wir selbst sind nicht im Krisenmodus, unsere Strukturen sind eingeübt, wir haben die Prozessverbesserung vorangetrieben und wir sind jetzt in einem uns bekannten, ganz normalen Beratungsgeschäft unterwegs – allerdings auf einem sehr hohen Niveau. Lieferkettengesetz, Nachhaltigkeitsberichterstattung und viele andere, wirklich unternehmerisch tiefgehende Vorschriften und Änderungen, die teilweise schon ab kommendem Jahr verpflichtend sind, sind für unsere Mandantschaft sehr fordernd. Das bedeutet für uns immer: Wir sind nah bei unseren Mandantinnen und Mandanten und begleiten sie gerne bei diesen Herausforderungen. Das ist ja unser Job, das ist keine Herausforderung, sondern das ist für uns Normalität.

Eine weitere Veränderung ist, dass die zuvor gewährten, steuerlichen Fristverlängerungen nun Jahr für Jahr um je einen Monat zurückgenommen werden. Ist das eine Erleichterung oder eine Erschwerung Ihrer Arbeit?

AK: Man muss erst einmal feststellen, dass die Finanzämter aktuell mit den Veranlagungen gar nicht hinterherkommen. Da gibt es immer noch die Problematiken und Mehrarbeiten aufgrund der veränderten Grundsteuer – und der Personal- und Fachkräftemangel geht auch an der Finanzbehörde nicht vorbei. Es bringt also dem Staat gar nichts, wenn er die Unterlagen schneller bekommt, sie aber nicht verarbeiten kann. Da glauben wir eher, dass die Fristen nicht so schnell gekürzt werden, wie es gerade aussieht. Das Arbeitsaufkommen ist aktuell dafür zu hoch – und der Output dann auch zu gering.

DE: Wir haben hier aktuell einen Fall, bei dem in unserer Mandantschaft die Jahre 2016 bis 2019 geprüft werden. Die Finanzverwaltung hat nun mitgeteilt, dass sie erwartet, im Laufe des Jahres 2024 damit fertig zu sein. Der Staat ist da einfach gerade nicht so weit, wie er möchte. Und wenn der Staat die Fristen wieder verkürzt, dann erwarten die Steuerpflichtigen – übrigens ganz zu Recht –, dass ihre Unterlagen auch zeitnah bearbeitet werden. Wichtig zu wissen ist aber auch: Fristverlängerungen führen bei Steuerberaterinnen und Steuerberatern eigentlich nie dazu, dass es wirklich entspannter wird. Das lässt sich nicht logisch erklären, aber die Tatsachen und die Praxis sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Das sollte aber auch nicht dazu verleiten, die Fristen zu kurz zu machen.

Viele Unternehmen stöhnen auch über immer mehr Verordnungen, die die eigentliche Arbeit behindern, erschweren oder zumindest zeitlich verzögern. Gleichzeitig tritt jede neue Regierung mit dem Versprechen an, alles oder zumindest vieles einfacher zu machen. Glauben Sie noch an eine solche Veränderung?

DE: Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt (lacht). Wenn man allerdings das Gefühl hat, dass die Politikerinnen und Politiker und Ministerien, die die Gesetze machen, kaum noch überblicken, was damit eigentlich alles verändert wird, dann kann es diese Hoffnung nicht wirklich mehr geben. Heute entstehen situative Gesetze für einzelne Sachverhalte, die sich immer mehr von einer grundsätzlichen Systematik entfernen. Das ist das Haupthindernis, weil unser Grundgerüst, auf das alles aufbaut, nicht mehr stabil genug ist. 2001 hat man mal eine echte Steuerreform geschafft – da müsste man wieder hin. Aber das sehe ich nicht. Heute werden Einzelfallgesetze gemacht, die die Systematik nur labiler werden lassen und nie für eine Vereinfachung, fast immer aber für eine Verkomplizierung sorgen.

Ist, oder besser, wäre denn diese Aufgabe zu groß, oder traut sich einfach niemand, mal die Systematik anzugehen?

AK: Das traut sich heute tatsächlich niemand mehr. Wir erleben ja eher das Gegenteil, es wird nicht einfacher, es wird nur komplizierter. Ein Beispiel: Das Inbetriebnehmen einer PV-Anlage ist steuerlich gesehen heute so unglaublich kompliziert geregelt, dass es kaum noch zu verstehen ist. Der Gesetzgeber versucht hier einfach, jedes noch so exotische Beispiel mitzubeachten – und verstrickt sich so komplett. Deshalb traut sich keine Regierung, hier einfach mal einen Schnitt zu machen, nicht immer alles und jedes mitregeln zu wollen. Was noch hinzukommt, ist, dass Entlastungen für Unternehmen heute in der Sicht vieler gar nicht mehr möglich sind. Unternehmertum? Das ist ja das Böse. Da kann man nur noch den Kopf schütteln. Unsere Mandantschaft und wir als Beraterinnen und Berater leben dann damit, was an mehr oder weniger guten Gesetzen in die Welt gesetzt wird.

Auf der anderen Seite könnte man, könnten Sie als Berater ja auch denken: Ist doch gut, wenn es so kompliziert ist. Dann kann uns niemand ersetzen, dann verfügen wir über ein Wissen, das nur wenige haben.

DE: Für uns ist das Chance und Risiko zugleich. Wenn die Gesetze und Verordnungen immer komplizierter und undurchsichtiger werden, dann steigt das Risiko, dass wir Fehler machen, sie falsch anwenden, falsch beraten. Aber: das ist das normale Berufsrisiko, damit müssen und können wir umgehen.
Bei den Chancen ist es so, dass wir uns noch mehr spezialisieren, Spezialgebiete und -teams aufbauen können und wollen. Wir können so mit unserem Spezial-Know-how Komplexität abbilden und sind so attraktiv als Arbeitgeber und Berater zugleich. Schauen Sie sich etwa das Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung an. Wir haben hier mittlerweile ein Team von neun Kolleginnen und Kollegen, die echte, zertifizierte Expertinnen und Experten auf diesem Gebiet sind – damit sind wir im Wettbewerb sehr gut aufgestellt und können unsere Mandantinnen und Mandanten auch hier begleiten.

Apropos klein und groß: Wie groß sind Sie aktuell eigentlich?

AK: Wir haben mittlerweile die Marke von 220 Beschäftigten deutlich überschritten, das ist eine weiterhin tolle Entwicklung unseres Hauses. Im Ranking der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sieht das so aus, dass wir uns bundesweit irgendwo zwischen Rang 25 und 50 bewegen. Die großen Zehn sind dabei weit weg, in unserer Region aber sind wir weiterhin ein wirklich großes Beratungs- und Prüfungsunternehmen.

 

Und wie schaffen Sie es, dass Sie dieses Wachstum, das Sie in den vergangenen Jahren erreicht haben, auch kommunizieren? Vor einem Jahrzehnt wird man Sie ja noch ganz anders als heute wahrgenommen haben.

DE: Wir wachsen ja meist mit den Mandantinnen und Mandanten, das ist natürlich ein Vorteil, wenn die Mandantin oder der Mandant weiterhin weiß, dass sie oder er bei uns sehr gut aufgehoben ist, dass wir uns stetig weiterentwickeln. Das spricht sich dann auch in Unternehmerkreisen rum. Der gehobene Mittelstand, in dem sich ja die meisten unserer Mandantinnen und Mandanten bewegen, nimmt uns aber auch über eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit wahr, hier „bespielen“ wir unterschiedliche Kanäle und erreichen so unsere Zielgruppen. Aber man muss schon aktiv sein, um wahrgenommen zu werden.

Ist es in der Krise eigentlich so, dass eine gewisse Wechselwilligkeit bei den Mandantinnen und Mandanten aufkommt, oder gilt eher die Devise: „Durch dick und dünn“?

AK: Wir haben in den vergangenen Jahren wirklich nur sehr wenige Mandanten verloren, an große Abgänge kann ich mich dabei gar nicht erinnern. Aber dieses Vertrauen der Mandantinnen und Mandanten muss man sich auch jeden Tag wieder neu verdienen. Und man muss beachten, dass der Markt, in dem wir uns bewegen, gesättigt ist – jeder Mandant hat ja schon einen Berater. Es geht also um zweierlei für uns: Neue Mandanten zu gewinnen und gleichzeitig die Mandantenbindung ganz gezielt stärken. Wir haben ja viele Unternehmen, für die wir teilweise schon seit Jahrzehnten da sind – und für die wollen wir natürlich auch weiterhin beratend tätig sein, wollen, dass sie sich weiterhin bei uns wohlfühlen.

DE: Wir haben uns sicherlich in den vergangenen Jahren stark verändert, sind stark gewachsen. Aber eins ist uns ganz wichtig: Wir wollen für alle unsere Mandantschaft ansprechbar sein und bleiben. Wir setzen eben nicht nur auf Vertrieb zur Neukundengewinnung, sondern wissen, wie wichtig unsere derzeitigen Mandantinnen und Mandanten für uns, für unser Unternehmen sind. Am Ende wachsen wir ja genau aus diesem Grund so schnell: Weil wir für unsere Mandanten besser werden und so vielseitig unsere Dienstleistungen abgefragt werden.

 

"Die Aussichten für HLB Stückmann sind auch für das kommende Jahr herausfordernd, aber optimistisch stimmend."

Gibt es bei Ihnen auch so etwas wie Wachstumsschmerz?

AK: Wir sind in den vergangenen Jahren ausschließlich organisch gewachsen, haben nichts Externes dazugekauft. Ich empfinde es im Moment nicht so, dass wir da einen echten Wachstumsschmerz verspüren. Wir sind auf einem Wachstumskurs, und das sicherlich noch für einige Jahre. Aber wir haben gelernt, damit sehr gut umzugehen, haben ein umfassendes Onboarding geschaffen und planen mit Köpfen, mit dahinterliegenden Stunden und Stundensätzen. Bislang wachsen wir ohne Schmerzen (lacht)!

DE: Unser Ziel ist es auch nicht, so oder so groß zu werden, wir haben da keine exakte Zahl oder Größe festgelegt. Wir wissen: wenn wir es gut genug machen, dann wachsen wir fast automatisch. Wir sind durch gute Arbeit für Mandanten attraktiv und attraktive Mandanten helfen bei der Mitarbeiterbindung und -gewinnung. Unsere regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen zeigen, dass wir für unsere Beschäftigten ein wirklich sehr guter Arbeitgeber sind. Unsere Bemühungen diesbezüglich werden wahrgenommen, so etwas zieht dann auch neue Kolleginnen und Kollegen, aber auch neue Mandanten an. Für unsere mittelfristige Planung beschäftigen wir uns daher vor allem mit diesen Fragen und ihrer Beantwortung: Verfügen wir über genügend Räumlichkeiten, wie müssen wir uns technisch aufstellen, wie finden wir die passenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Ist das Thema Personal dabei auch bei Ihnen die größte Herausforderung?

AK: Das ist schon wirklich verwunderlich. Wir hören aus der gesamten Branche, dass kaum Personal zu finden ist – und bei uns zeigt sich das Bild doch tatsächlich deutlich positiver. Wir haben in den vergangenen Monaten sicherlich nicht alle offenen Stellen sofort besetzen können, aber dennoch viele neue Kolleginnen und Kollegen gefunden. Für 2023 heißt das, dass wir 25 neue Kräfte gefunden haben, gerechnet auf volle Stellen. Das ist schon eine beachtliche Menge für unsere Größe und unsere Branche. Und spricht, das darf man wohl sagen, ohne rot zu werden, auch für uns und unsere Arbeit.

Wie sieht es bei dieser Arbeit mit dem Thema Homeoffice weiterhin aus?

AK: Unser Motto lautet da: so viel Homeoffice, wie es vernünftigerweise organisierbar ist. Immer abgestimmt mit dem aktuellen Team. Real verfügen wir aktuell über eine Homeoffice-Quote von rund einem Drittel. Das heißt, dass viele unserer Kolleginnen und Kollegen gar nicht so viel Zeit im Homeoffice verbringen wollen, gerne hierher ins Büro kommen. Wir geben da allerdings auch gerne einen Anreiz, weil wir natürlich der Meinung sind, dass das Miteinander hier vor Ort wichtig für uns und unsere Arbeit ist. Dafür haben wir auch architektonisch einiges verändert, haben einen neuen, sehr einladenden Loungebereich und viele weitere attraktive Rahmenbedingungen geschaffen.

DE: Die Kolleginnen und Kollegen wissen selbst, dass es effektiver ist, sich bei manchen Themenstellungen zusammenzusetzen, nicht alles via Videocall zu regeln. Da hat sich vieles in die richtige Richtung bewegt, da sind wir mit der Entwicklung sehr zufrieden.

Und wie sehen Sie hier die zukünftige Entwicklung, auch in Hinsicht auf das Angebot für die Mandantinnen und Mandanten??

DE: Es wird sicherlich weiterhin ein Mix bleiben. Auch bei Mandantenveranstaltungen bieten wir gerne Online-Formate an, oder machen diese im Hybridverfahren. Unsere Mandantschaft bewegt sich ja in einem Umkreis von 250 Kilometern, da wollen wir immer etwas Vernünftiges, Attraktives anbieten, das für die Mandantin oder den Mandanten passt. Und das kann eben auch bedeuten, dass man sich das Ganze nur via Bildschirm anschaut, sich digital austauscht. Daneben gibt es aber auch Situationen und Angebote, die in Präsenz besser abbildbar sind. Wenn man um eine Lösung ringt, ist es zum Beispiel besser, wenn man an einem Tisch sitzt, sich direkt und persönlich austauscht. Bei reinem Informationsaustausch ist das aber sicherlich ganz anders.

Zum Abschluss die entscheidende Frage: Was erwarten Sie vom Jahr 2024?

AK: Jetzt kommt der Teil, den wir am meisten lieben. Das Orakel wird befragt (lacht). Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch für 2024 und darüber hinaus als Unternehmen sehr stabil und gut aufgestellt sind. Wir werden den Fokus weiterhin auf die Rundum-Betreuung unserer Mandantinnen und Mandanten legen, bei der wir durch unsere Spezialistinnen und Spezialisten möglichst umfassend mit unseren Mandantinnen und Mandanten in spannende Projekte gehen. Das wird dazu führen, dass wir auch personell weiterwachsen werden, um diese Herausforderungen bewältigen zu können.

DE: Ich glaube, der Druck ist so groß, dass auf politischer Ebene einfach etwas passieren muss. Unsere ostwestfälischen Mandantinnen und Mandanten sind aber innovativ genug, um mit dem Nachfragerückgang, mit den gesamten derzeitigen Herausforderungen gut umgehen zu können. Die Politik sollte sicherlich auch mit Fördermaßnahmen unterstützen. Und dann kann unsere Mandantschaft den wichtigen Transformationsweg hin zu mehr Digitalisierung, Automatisierung und Effizienz schon weiterführen, da wird mir nicht bange. 2024 wird also fordernd – aber das waren die vergangenen Jahre auch. Jetzt geht es darum, dass schnell gehandelt wird, dass sich die Rahmenbedingungen grundlegend ändern. Dann geht es auch wieder aufwärts – bei den Zahlen wie bei der Stimmung.