Stückmann live

Keine „Zwangsheilung“ einer Organschaft – Eine erfolgreiche Revision beim Bundesfinanzhof

Veröffentlicht: 16. August 2023
Von: Niels Doege, Prof. Dr. Oliver Middendorf

BFH Urteil vom 03. Mai 2023, I R 7/20
Trotz in den Steuerklärungen deklarierter Organschaft gibt es Konstellationen, bei denen der Steuerpflichtige keine Veranlagung einer ertragsteuerlichen Organschaft mehr will. Wir haben ein solches Verfahren von der Betriebsprüfung über das Einspruchs- und anschließendem Klageverfahren vor dem FG Münster bis zum BFH begleitet. Wir konnten den Bundesfinanzhof mit unserer Rechtsauffassung überzeugen.

 

Was war der Sachverhalt?

In der Sache ging es um die ertragsteuerliche Anerkennung einer Organschaft. Diese war zwar in den Steuererklärungen deklariert, aber in der Gesamtsteuerbelastung war sie aufgrund der Feststellungen einer Betriebsprüfung nachtteilig. Gleichzeitig fehlte die Einbeziehung des § 302 Abs. 4 AktG im Ergebnisabführungsvertrag. Aufgrund dieses Fehlers im Ergebnisabführungsvertrags war die Organschaft steuerlich nicht anzuerkennen. In diesem Wissen wurde der Ergebnisabführungsvertrag im Frühjahr 2012 gekündigt und damit die steuerlich nicht anzuerkennende Organschaft auch zivilrechtlich beendet.

Mit der Beendigung der Organschaft im Frühjahr 2012 ging der Mandant davon aus, dass die Organschaft auch für die zurückliegenden Jahre nicht anzuerkennen ist. Im Laufe der nachfolgenden Betriebsprüfung wurde diese Auffassung vertreten und eine Steuerfestsetzung ohne Berücksichtigung der Organschaft begehrt.

Dem folgte die Betriebsprüfung nicht, wobei zwischen den Parteien unstreitig war, dass die Organschaft aufgrund des Fehlers im Ergebnisabführungsvertrag grds. steuerlich nicht anzuerkennen sei.  Dies wurde vom FG Münster sowie dem BFH bestätigt.
Jedoch war der Gesetzgeber Ende 2012 / Anfang 2013 und damit nach Beendigung des Ergebnisabführungsvertrages mit der „kleinen Organschaftsreform“ aktiv. Danach konnten gemäß § 34 Abs. 10b S. 2 und 3 KStG Steuerpflichtige bis zum 31.12.2014 fehlerhafte Ergebnisabführungsverträge anpassen und einen sog. dynamischen Verweis auf die Verlustübernahme nach § 302 AktG vereinbaren. Mit einer solchen Anpassung war dann die Organschaft trotz bisher fehlerhafter Ergebnisabführungsverträge auch rückwirkend steuerlich anzuerkennen. Wenn der Ergebnisabführungsvertrag vor dem 01.01.2015 beendet wurde, war eine Anpassung des Ergebnisabführungsvertrags für dessen steuerliche Anerkennung nicht erforderlich.
Da der Ergebnisabführungsvertrag im Frühjahr 2012 und damit vor dem 01.01.2015 beendet worden war, kam es nach Auffassung der Betriebsprüfung und des FG Münster unter Hinweis auf den Wortlaut des § 34 Abs. 10b S. 3 KStG zu einer „Zwangsheilung“ der Organschaft. Die Organschaft sei daher entgegen der Auffassung des Mandanten anzuerkennen.
Wohlgemerkt zum Zeitpunkt der Beendigung des Ergebnisabführungsvertrags im Frühjahr 2012 kannte niemand das (neue) Gesetz und die darin verordnete „Zwangsheilung“ für vor dem 01.01.2025 beendete Ergebnisabführungsverträge.


Unser Argument

Eines unserer Hauptargumente war der Vergleich von Handlungsoptionen.
War der Ergebnisabführungsvertrag zum Zeitpunkt der „kleine Organschaftsreform“ ungekündigt ist, hatte der Steuerpflichtige zwei Optionen: Er konnte den Ergebnisabführungsvertrag

  • entweder Anpassen bzw. Kündigen mit der Folge der rückwirkenden Heilung der steuerlichen Organschaft oder
  • unverändert über den 01.01.2015 fortlaufen zu lassen, mit der Folge, dass die steuerliche Organschaft nicht anzuerkennen ist.

Mit anderen Worten der Steuerpflichtige hatte die Wahl zu entscheiden, ob er die Organschaft für die Vergangenheit wollte oder nicht.
Hatte der Steuerpflichtige den Ergebnisabführungsvertrag jedoch vor der Gesetzesänderung bereits gekündigt, kam es nach Auffassung der Finanzverwaltung und des FG Münster zu einer „Zwangsheilung“.

Dies Gesetzesverständnis konnte unseres Erachtens nicht rechtens sein, da die „Zwangsheilung“ bei beendetem Ergebnisabführungsvertrag dem Steuerpflichtigen jede Dispositionsmöglichkeit nimmt. 


Bundesfinanzhof

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 03. Mai 2023, I R 7/20 genau dieses Argument aufgegriffen und den Wortlaut „Heilungsvorschrift“ dahingehend ausgelegt, dass auch bei bereits beendeten Ergebnisabführungsverträgen die Dispositionsmöglichkeit des Steuerpflichtigen verbleiben muss. Der Steuerpflichtige müsse selbst entscheiden können, ob er die Heilung der Organschaft will oder nicht; mit anderen Worten: keine „Zwangsheilung“.


Zum Schluss

Nach einem sehr langen Verfahren mit kontroversen Diskussionen und einer differenzierten und systematischen Begründung, die vom Finanzamt und Finanzgericht allerdings nicht aufgegriffen und auch nicht geteilt wurde, haben wir mit eben dieser Argumentation das Revisionsverfahren gewonnen.

Niels Doege

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Partner

+49 521 2993134

Dipl.-Kfm. Prof. Dr. Oliver Middendorf

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Partner

+49 40 822169034

Neue Gesetze, Gesetzesänderungen oder neue Urteile. Welche Auswirkungen hat dies auf Ihr Unternehmen? Wie sind die Trends in Ihrer Branche und was passiert in anderen? Was tut sich auf nationalen und internationalen Märkten und von welchen Änderungen kann Ihr Unternehmen profitieren? Wir geben unser Wissen gerne an Sie weiter.

Aktuelles