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Handelsrechtliche Bilanzierung von Implementierungskosten bei Cloud Computing

Veröffentlicht: 2. September 2022 aus Steuern & Wirschaft aktuell

Eine in der Cloud lediglich zur Nutzung bereitgestellte Software kann das nutzende Unternehmen mangels Eigentums an der Software nicht aktivieren. Allerdings wird entsprechende Software häufig durch Customizing auf die speziellen Bedürfnisse des nutzenden Unternehmens angepasst. Die Aktivierungsmöglichkeit bzw. -pflicht der Kosten eines solchen Customizings ist umstritten und eröffnet somit Bilanzierungsspielräume.

Beim Cloud Computing wird, abhängig von der Art der zur Verfügung gestellten Dienstleistung, zwischen unterschiedlichen Servicemodellen unterschieden. Im Modell „SaaS“ (Software as a Service) stellt ein Dienstleister eine IT-Anwendung (z.B. eine ERP- oder Buchhaltungssoftware) in seiner eigenen Infrastruktur (Cloud) zur Nutzung durch den Kunden zur Verfügung. In diesem Servicemodell wird weder das Eigentum an der Software übertragen, noch werden Lizenzen zur Nutzung der Software in der IT-Landschaft des Kunden erteilt. Gleichwohl nimmt der Kunde regelmäßig individuelle Parametereinstellungen an der bereitgestellten Software vor (Customizing). Durch das Customizing entstehen häufig Kosten, welche die Lizenzgebühren nennenswert übersteigen.

Steht die Software im Eigentum des Bilanzierenden, sind die Kosten des Customizings regelmäßig mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Software zu aktivieren. Wird die Software dem Nutzer im Rahmen eines SaaS-Vertrages zur Verfügung gestellt, aktiviert dieser die Software mangels Erwerbs nicht in seiner Bilanz. Die Aktivierung von Customizing-Kosten als Teil der Anschaffungsnebenkosten oder Herstellungskosten der Software ist dann – infolge der Nicht-Bilanzierung der Software selbst – nicht möglich.

Die Frage, ob bei Anwendung von SaaS-Modellen die Implementierungskosten der Software isoliert aktivierungsfähig sind, wird zurzeit nicht einheitlich beurteilt. Die Parametrisierung eines bestimmten Nutzers ist regelmäßig nur für diesen nutzbar. Das individuelle Customizing ist dann nicht ohne Weiteres verwertbar und trägt nicht zum Schuldendeckungspotential des Unternehmens bei. Eine Aktivierung ist nach dieser Auffassung ausgeschlossen.

Nach einer alternativen Sichtweise stellt die Parametrisierung einen bilanzierungsfähigen immateriellen Vermögensgegenstand dar, weil nur durch das Customizing die wirtschaftliche Nutzung der bereitgestellten Software möglich wird. Nach dieser Auffassung handelt es sich um ein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut des Anwenders, das über die Grundlaufzeit des Servicevertrages abzuschreiben wäre.

Die Finanzverwaltung spricht sich ebenfalls für die Aktivierung aus, so dass die Kosten in der Steuerbilanz zu bilanzieren sind. Allerdings können die Anschaffungskosten aufgrund des steuerlichen Wahlrechts zur sofortigen Abschreibung sog. „digitaler Wirtschaftsgüter“ im Jahr des Zugangs als Betriebsausgaben geltend gemacht werden.

Praxistipp:

Je nach Interessenlage kann ein Unternehmen Argumente für und gegen eine handelsrechtliche Aktivierung der Kosten des Customizings von in der Cloud genutzter Software finden. Auf diese Weise lässt sich Bilanzpolitik betreiben. Hierbei ergeben sich keine steuerlichen Auswirkungen, weil in der Steuerbilanz die Sofortabschreibung von Software möglich ist.

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