Verlustuntergang bei Kapitalgesellschaften wegen Anteilseignerwechsel in Teilen verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 29.03.2017 geurteilt, dass § 8c Körperschaftsteuergesetz (KStG) in seiner Fassung vom 01.01.2008 bis 31.12.2015 betreffend den teilweisen Untergang von Verlustvorträgen bei Anteilsübertragungen von mehr als 25 % und bis zu 50 % innerhalb von fünf Jahren auf Grund des Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig ist (§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG).
Betroffene Fälle
Betroffen sind alle Kapitalgesellschaften mit Verlustvorträgen, bei denen bis zum 31.12.2015 innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 % der Anteile, maximal aber 50 % der Anteile auf einen Erwerber übertragen wurden. Nach der derzeit geltenden Fassung des § 8c Abs. 1 S.1 KStG entfallen die Verlustvorträge der Kapitalgesellschaft in diesen Fällen anteilig.
Gründe für die Verfassungswidrigkeit
Das Verlustabzugsverbot verstößt nach Auffassung des Gerichts gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 des Grundgesetzes. Der Gesetzgeber ist danach gebunden, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Die Regelung des § 8c KStG führe dazu, dass Kapitalgesellschaften mit Anteilseignerwechsel anders besteuert werden als Kapitalgesellschaften ohne einen Anteilseignerwechsel, obwohl ein Anteilseignerwechsel für sich genommen keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft habe. Nach Auffassung des Gerichts verstößt diese Regelung gegen das Willkürverbot.
Zwar sei das Ziel der Bekämpfung von legalen Steuergestaltungen, insbesondere des Handels mit vortragsfähigen Verlusten, ein legitimer Zweck, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könne, die Typisierung dieser Fälle allein auf Grundlage eines Anteilseignerwechsels von unter 50 % der Anteile sei allerdings nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe seine Typisierungsbefugnis überschritten. Anteile von über 25 % begründen gesellschaftsrechtlich zwar eine Sperrminorität. Damit werde aber lediglich ein mittelbares Eingreifen in die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft ermöglicht. Nur eine Mehrheitsbeteiligung ermöglicht es dem Anteilserwerber hingegen auf die Kapitalgesellschaft unmittelbar Einfluss zu nehmen und so Verluste durch unternehmerische Entscheidungen für eigene Zwecke zu nutzen.
Aufgabe für den Gesetzgeber
Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber angewiesen, den Verfassungsverstoß rückwirkend für die Zeit vom 01.01.2008 bis 31.12.2015 spätestens bis zum 31.12.2018 mit einer Gesetzesänderung zu beseitigen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, tritt am 01.01.2019 rückwirkend ab 01.01.2008 die Nichtigkeit von § 8c Abs. 1 S. 1 KStG ein.
Empfehlung
Die Rechtsprechung hat noch keine unmittelbaren Konsequenzen. Es muss abgewartet werden, wie der Gesetzgeber auf das Urteil reagiert. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber weitere Tatbestandsvoraussetzungen in das Gesetz aufnimmt, an die ein Untergang von Verlustvorträgen geknüpft wird.
Fälle, in denen es vom 01.01.2008 bis 31.12.2015 zu einem Untergang von Verlusten auf Grund eines Anteilseignerwechsels von mehr als 25 % und bis zu 50 % gekommen ist, müssen in jedem Fall offen gehalten werden. Möglicherweise werden diese Fälle nach einer Neuregelung nicht mehr von der Vorschrift erfasst sein.
Zu Fällen, bei denen nach dem 01.01.2016 mehr als 25 % und bis zu 50 % der Anteile an einen Erwerber übertragen werden und Verluste anteilig untergegangen sind und zu Fällen, bei denen auf Grund eines Wechsels von mehr als 50 % der Anteile die Verlustvorträge vollständig untergegangen sind hat das Bundesverfassungsgericht (noch?) keine Entscheidung getroffen.