Durchsuchungsanordnung durch anonyme Anzeige eines Hinweisgebers
Veröffentlicht: 21. Mai 2024
aus
Steuern & Wirtschaft aktuell 2-2024
Von:
Dr. Andreas Börger
Seit Mitte 2023 verpflichtet das Hinweisgeberschutzgesetz private und öffentliche Beschäftigungsgeber zur Einrichtung und zum Betrieb interner Meldestellen. Ein Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14.2.2024 verdeutlicht die wachsende Bedeutung der Hinweisgeberportale und der dort gemachten anonymen Anzeigen für die Aufdeckung von Straftaten.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth entschied am 14.2.2024, dass eine anonyme Meldung über Hinweisgebersysteme einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss rechtfertigen kann.
Hintergrund des Falls, der die Inhaberin zweier Apotheken betraf, war eine anonyme Meldung über ein Hinweisgebersystem der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen. Demzufolge ließen sich Kunden in einer Apotheke Rezepte „nachquittieren“, ohne Medikamente zu erhalten. Stattdessen reichten sie die Rezepte zur Erstattung bei ihrer Krankenkasse ein. Der Hinweisgeber nannte die Namen einer Kundin und einer betroffenen Mitarbeiterin der Apotheke, das Datum des letzten Besuchs der Kundin und die genaue Vorgehensweise. Dabei benannte er die Rezepte der Kundin als potenzielle Beweisquelle. Ebenso habe die verdächtige Apothekeninhaberin Medikamente gegen Barzahlung ohne Hinweis auf die Übernahme der Kosten durch die Kasse herausgegeben, sodass sie das Rezept dann selbst bei der Kasse abrechnen konnte. Dafür reichte der Hinweisgeber einen Bildschirmabzug aus dem Warenwirtschaftssystem der Apotheke ein.
Infolge des Hinweises gab es zunächst weitere Ermittlungen, die jedoch keine wesentlichen Erkenntnisse brachten. Sodann erließ das Amtsgericht Nürnberg auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Durchsuchungsbeschlüsse für zwei Apotheken der Beschuldigten sowie für ihre Wohnräume. Diese Durchsuchungsbeschlüsse hielt das Landgericht Nürnberg-Fürth für rechtmäßig. Die dafür notwendigen Voraussetzungen (Tatverdacht, Auffindevermutung in Bezug auf die Beweismittel und Verhältnismäßigkeit) seien erfüllt. Einziger Anknüpfungspunkt des Gerichts war die anonyme Hinweismeldung. Diese sei ausreichend, weil der Hinweisgeber die ihm bekannten Umstände transparent gemacht, sachkundiges Wissen geäußert und auch zuverlässig auf Rückfragen der Behörden reagiert habe. Aus alledem lasse sich schließen, dass die Vorwürfe nicht fingiert seien.
Das Gericht betonte dennoch, dass anonyme Hinweise sorgfältig geprüft werden müssen, da sie ein erhöhtes Risiko falscher Verdächtigungen bergen. Sie können eine strafrechtliche Untersuchung initiieren, wenn sie substanzielle Informationen enthalten. Pauschal gehaltene anonyme Anzeigen werden hingegen keine Durchsuchungen rechtfertigen können.
HINWEIS
Die Betreiber interner Meldestellen müssen künftig mit mehr anonymen Meldungen rechnen und in jedem Einzelfall sehr genau überprüfen, ob eine anonyme Anzeige hinreichend substanziiert und glaubhaft ist, um Folgemaßnahmen einzuleiten.
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