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Update zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Aufsichts- und Verwaltungsräten

Veröffentlicht: 19. Juni 2024 aus Rundschreiben Umsatzsteuer 1-2024
Von: Karin Korte

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 21.12.2023, dass Aufsichtsräte regelmäßig dann keine Unternehmer im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) sind, wenn ihre Tätigkeit variabel und ohne Verlustbeteiligung vergütet wird.

 

Seit Sommer 2019 sind Aufsichtsratsmitglieder bzw. Mitglieder von Kontrollgremien im Fokus der umsatzsteuerlichen Betrachtung. Der EuGH hatte, abweichend von der bisherigen Auffassung, entschieden, dass ein Aufsichtsratsmitglied einer Stiftung mit ausschließlich fester Vergütung nicht selbstständig tätig und damit nicht als umsatzsteuerlicher Unternehmer anzusehen sei. Diese Rechtsprechung wurde seitens des Bundesfinanzhofs (BFH) übernommen.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat daraufhin Anwendungsregelungen für die Praxis geschaffen. Danach sind Aufsichtsratsmitglieder mit einer festen Vergütung nicht länger als umsatzsteuerliche Unternehmer anzusehen. Erhält ein Aufsichtsratsmitglied eine gemischte Vergütung mit einem variablen Anteil von mindestens 10 %, ist weiterhin von einer unternehmerischen Tätigkeit auszugehen. Bei vollständig variabler Vergütung ist von der unternehmerischen Tätigkeit auszugehen.

Nach zwei BMF-Schreiben und deren Umsetzung in Abschnitt 2.2 Abs. 3a Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) schien das Thema „erledigt“, bis sich der EuGH in seinem Urteil aus Dezember 2023 wieder einmal mit der Behandlung eines Aufsichtsrats – diesmal einer luxemburgischen Aktiengesellschaft – zu beschäftigen hatte.

Im Urteilsfall war zu entscheiden, ob ein Aufsichtsratsmitglied bei einer ausschließlich variablen Entlohnung ein wirtschaftliches Risiko trägt und er damit als umsatzsteuerlicher Unternehmer anzusehen ist. Der EuGH ordnet die Tätigkeit in seinem Urteil als nicht selbstständig ein. Die Frage zur Selbstständigkeit beurteilt sich danach, ob ein Unterordnungsverhältnis vorliegt. Hierfür ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Verwaltungsratsmitglied die Tätigkeit im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung ausführt und ob es das mit der Ausübung dieser Tätigkeiten verbundene wirtschaftliche Risiko trägt. Die nationalen Rechtsvorschriften bezüglich der Verteilung der Verantwortlichkeiten und der Haftung der Beteiligten sind bei dieser Prüfung mit einzubeziehen.

Diese Beurteilung ist auch maßgeblich, wenn die Höhe der Vergütung des Verwaltungsratsmitglieds von den Gewinnen der Gesellschaft abhängig ist, da das Mitglied jedenfalls kein Verlustrisiko im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit trägt. Die Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft ist nicht gleichzusetzen mit dem Tragen eines eigenen Gewinn- und Verlustrisikos. Daneben merkt der EuGH an, dass eine Selbstständigkeit zu verneinen ist, selbst wenn das Verwaltungsratsmitglied Fachwissen und Know-how in den Verwaltungsrat einbringt und an Abstimmungen teilnimmt, da die Gesellschaft die Folgen der Entscheidungen des Verwaltungsrats trifft und somit das damit einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt.

Hinweis

Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen die Finanzverwaltung aus der Entscheidung ziehen wird. Die bisherige Praxis, nach der Verwaltungs- bzw. Aufsichtsräte mit einem variablen Vergütungsbestandteil von mindestens 10 % der Gesamtvergütung grundsätzlich selbstständig tätig und Unternehmer sind, genügt nicht, um pauschal von einem wirtschaftlichen Risiko auszugehen. Steuerpflichtige können sich aktuell weiterhin auf die Auffassung der Finanzverwaltung berufen. Wir empfehlen, die Entwicklungen weiterhin zu beobachten. Auf Basis der vorliegenden Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass sich für die Zukunft nochmals wesentliche Änderungen im Hinblick auf die Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten ergeben werden.

Offen bleibt auch, wie die Tätigkeit eines Ver­waltungsrats- oder Aufsichtsratsmitglieds bei dem Vorliegen einer unselbstständigen Tätigkeit lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlich zu beurteilen ist.

Dipl.-Kff. Karin Korte

Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin

+49 521 2993358

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Rundschreiben
Umsatzsteuer 1-2024

Veröffentlicht: 19. Juni 2024

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