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Organschaft: Wirtschaftliche Eingliederung bei Überlassung eines Büro- und Verwaltungsgebäudes

Veröffentlicht: 10. Dezember 2024 aus Rundschreiben Umsatzsteuer 2-2024
Von: Karin Korte

Das Vorliegen der Voraussetzungen der wirtschaftlichen Eingliederung ist auslegungsbedürftiger als die Voraussetzungen der finanziellen oder organisatorischen Eingliederung. Dennoch liegt ohne wirtschaftliche Eingliederung keine umsatzsteuerliche Organschaft vor. Die Rechtsprechung fordert hier „mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen“ zwischen Organträger und Organgesellschaft. Das Finanzgericht München musste im konkreten Fall entscheiden, ob die Überlassung eines Büro- und Verwaltungsgebäudes von der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft für eine wirtschaftliche Eingliederung ausreichend ist.

 

Die Tochtergesellschaft und Klägerin betreibt eine Verwertungsanlage. Gegen Entgelt behandelt sie kontaminiertes Material, um diesem die Schadstoffe zu entziehen. Die Tochtergesellschaft hat ihre Büroräume, die sich in der gleichen Straße wie die Betriebsfläche befinden, von der Gesellschafterin/Muttergesellschaft angemietet. Die Büroräume werden zur tatsächlichen Geschäftsführung, zum Vertrieb und Marketing sowie zur Qualitätssicherung und Buchführung genutzt. Zweifelsfrei war die finanzielle Eingliederung im vorliegenden Fall gegeben, da die Muttergesellschaft 95,30 % der Anteile hält. Auch die organisatorische Eingliederung lag aufgrund der Geschäftsführeridentität vor.

Die Tochtergesellschaft und die Muttergesellschaft gingen übereinstimmend davon aus, dass aufgrund der Überlassung des Bürogebäudes die Tochtergesellschaft auch wirtschaftlich eingegliedert war. Das Finanzamt hingegen lehnte die wirtschaftliche Eingliederung ab, da das Verwaltungsgebäude für die Tochtergesellschaft austauschbar sei und am Standort auch Alternativobjekte zur Verfügung stünden.

Entscheidend für die wirtschaftliche Eingliederung allgemein sind die Art und der Umfang der Leistungsbeziehungen und die damit einhergehende wirtschaftliche Verflechtung. Danach reicht auch nach Auffassung des Finanzgerichts die Vermietung eines Betriebsgrundstücks bzw. Bürogebäudes für eine wirtschaftliche Eingliederung aus, wenn das Grundstück oder Gebäude räumlich und funktional nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Im streitigen Fall konnte das Finanzamt nicht belegen, dass es Alternativobjekte hinsichtlich der Faktoren Preis, Lage und Funktionalität gab, und das Finanzgericht ging davon aus, dass bei einem hypothetischen Umzug mit Störungen im Betriebsablauf zu rechnen gewesen wäre. Zudem wurden sämtliche Betriebsentscheidungen im angemieteten Bürogebäude getroffen und alle Kundenanfragen in diesem Gebäude bearbeitet. Von insgesamt 44 Arbeitnehmenden waren 19 an diesem Standort beschäftigt. Aus diesen Gründen wurde eine wirtschaftliche Eingliederung durch das Finanzgericht bejaht.

Grundsätzlich ist es möglich und anerkannt, dass die wirtschaftliche Eingliederung als Merkmal nicht stark ausgeprägt sein muss, wenn die finanzielle und die organisatorische Eingliederung stark ausgeprägt sind. Es bleibt aber in jedem Fall dabei, dass eine wirtschaftliche Eingliederung vorliegen muss und nicht gänzlich entfallen kann. Gerade in Fällen der Vermietung von Betriebsgrundstücken zur Etablierung der wirtschaftlichen Eingliederung gab es aber in den letzten Jahren immer wieder Unklarheiten und unterschiedliche Auffassungen.

So lehnte der Bundesfinanzhof bspw. die wirtschaftliche Eingliederung ab, wenn die Bürogebäude ohne Weiteres austauschbar sind und in dem Gebäude lediglich Tätigkeiten im Bereich Buchführung und laufende Personalverwaltung vorgenommen werden. Dagegen wurde der wirtschaftlichen Eingliederung zugestimmt, wenn das Betriebsgrundstück ein besonderes Gewicht für den Betrieb hat, z. B. aufgrund seiner Größe.

Im Ergebnis zeigt sich, dass es bei dem Merkmal der wirtschaftlichen Eingliederung auf den genauen Sachverhalt ankommt. Es ist wichtig, darlegen zu können, warum dem genutzten Grundstück eine besondere Bedeutung für den Betrieb zukommt. Das Grundstück darf nicht wahllos austauschbar sein und es müssen dort für das Unternehmen wesentliche Handlungen stattfinden.

EMPFEHLUNG

Die Entscheidungen der Gerichte belegen, dass nicht ohne Weiteres eine wirtschaftliche Eingliederung angenommen werden kann, nur weil geringfügige wirtschaftliche Verflechtungen in Form der Überlassung von beliebigen Grundstücken gegeben sind, auch wenn die finanzielle und die organisatorische Eingliederung vorliegen.

Dipl.-Kff. Karin Korte

Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin

+49 521 2993358

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Umsatzsteuer 2-2024

Veröffentlicht: 10. Dezember 2024

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