Neues zum Reemtsma-Anspruch – Urteil „Schütte“ des EuGH
Veröffentlicht: 19. Juni 2024
aus
Rundschreiben Umsatzsteuer 1-2024
Von:
Karin Korte
Aufgrund einer Vorlage des Finanzgerichts (FG) Münster musste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) erneut mit dem Reemtsma-Direktanspruch beschäftigen. Mit Urteil vom 7.9.2023 hat er sich zur Akzessorietät des Direktanspruchs zum zivilrechtlichen Anspruch und der Verzinsung geäußert und damit weitere Punkte in Bezug auf den Reemtsma-Anspruch geklärt.
Der Reemtsma-Anspruch beschäftigt die Umsatzsteuer-Welt schon einige Zeit. Durch sein Schreiben aus dem Jahr 2022 hat aber mittlerweile auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) den Reemtsma-Anspruch anerkannt und dem Leistungsempfänger einen Direktanspruch gegenüber dem Finanzamt unter gewissen Voraussetzungen zugebilligt.
Hintergrund des Anspruchs ist, dass ein Leistender in einer Rechnung eine zu hohe Steuer gemäß § 14c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ausgewiesen hat und der Leistungsempfänger diese an den Leistenden entsprechend der Rechnung gezahlt hat. Der Leistungsempfänger hat allerdings nur in Höhe der gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer ein Recht zum Vorsteuerabzug. Die Rückforderung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer gegenüber dem Leistenden ist grundsätzlich ein zivilrechtlicher Anspruch. Das BMF erkennt einen Direktanspruch des Leistungsempfängers auf Rückzahlung der Umsatzsteuer durch das Finanzamt an, wenn die Rückzahlung durch den Leistenden z. B. wegen Zahlungsunfähigkeit übermäßig erschwert ist. Zusätzlich muss u. a. die Leistung tatsächlich erbracht worden sein, der Anspruch darf zivilrechtlich nicht verjährt und der Fiskus muss noch bereichert sein. Im Ergebnis bleibt es aber dabei, dass es sich um eine Billigkeitsmaßnahme handelt, die einer Einzelfallentscheidung bedarf.
Im Fall des FG Münster wollte nun ein Steuerpflichtiger eine Rechnungskorrektur erreichen, da das Finanzamt im Rahmen einer Betriebsprüfung lediglich einen Vorsteuerabzug von 7 % für Holzlieferungen zuließ. Der Lieferant lehnte eine Rechnungskorrektur und Rückzahlung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer wegen der Einrede der Verjährung ab. Daraufhin stellte der Steuerpflichtige einen Billigkeitsantrag beim Finanzamt und machte den Reemtsma-Direktanspruch geltend.
Das FG Münster legte daraufhin dem EuGH die Fragen vor, ob ein Reemtsma-Anspruch auch dann besteht, wenn bereits zivilrechtliche Verjährung eingetreten ist, und ob zusätzlich der Reemtsma-Anspruch auch zu verzinsen ist.
Der EuGH urteilte daraufhin, dass gerade im Fall der zivilrechtlichen Verjährung eine übermäßige Erschwernis besteht, den Anspruch gegenüber dem Leistenden durchzusetzen, und damit der Reemtsma-Anspruch geltend gemacht werden kann. In diesen Fällen kann aber der Leistende gegenüber dem Finanzamt keine Korrektur der zu viel gezahlten Umsatzsteuer verlangen. Er würde sich dann missbräuchlich verhalten, wenn er sich einerseits auf Verjährung beruft, andererseits aber eine Erstattung verlangt. Das Finanzamt hätte in diesen Fällen dann das Recht, die Auszahlung zu verweigern. Somit bestünde nicht die Gefahr der doppelten Inanspruchnahme des Finanzamts. Daneben entschied der EuGH auch, dass der Reemtsma-Anspruch, sofern eine Rückzahlung der zu viel erhaltenen Umsatzsteuer nicht in angemessener Frist erfolgt, zu verzinsen ist.
Damit hat der EuGH entgegen der Auffassung des BMF geurteilt und der zivilrechtlichen Akzessorietät eine Absage erteilt. Das BMF wird sich in der Folge erneut mit dem Reemtsma-Anspruch auseinandersetzen müssen. Bis dahin gilt, die Fälle weiterhin offen zu halten.
Empfehlung
Wir empfehlen Steuerpflichtigen, die Veranlagungen diesbezüglich offen zu halten. Leistungsempfängern wird nun die Möglichkeit gegeben, auch nach einer Betriebsprüfung den Reemtsma-Anspruch geltend zu machen. Gleichzeitig hat das Finanzamt die Möglichkeit, dem Leistenden die Auszahlung der zu hoch ausgewiesenen Umsatzsteuer zu verweigern.
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