Europäischer Gerichtshof stellt deutsche Praxis zur Besteuerung von Reiseleistungen auf den Kopf
Veröffentlicht: 10. Dezember 2024
aus
Rundschreiben Umsatzsteuer 2-2024
Von:
Karin Korte
Erbringt ein Unternehmen Reiseleistungen, ist die Sonderregelung der Differenzbesteuerung anzuwenden. Diese wirkt sich auf die Bestimmung des Leistungsortes aus und führt zur Anwendung der Differenzbesteuerung. Dabei ist der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen ausgeschlossen. Für Reiseleistungen existieren in der EU umsatzsteuerliche Sonderregelungen. Danach gelten Reiseleistungen dort als erbracht, wo der leistende Unternehmer ansässig ist. Die Differenzbesteuerung ist anzuwenden und der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen ausgeschlossen. Der Europäische Gerichtshof entschied in seinem Beschluss vom 25.6.2024 über die Frage, ob die Sonderregelung für Reiseleistungen auch dann gilt, wenn ein Reisebüro lediglich Flugtickets weiterverkauft.
Im vorliegenden Fall beim Europäischen Gerichtshof hat sich ein Reisebüro aus Rumänien auf den Verkauf von Flugtickets für Flüge mit Zielorten innerhalb der EU beschränkt. Im vereinfachten Verfahren hat sich der Europäische Gerichtshof auf seine bisherige Rechtsprechung bezogen. In den beiden Entscheidungen wurde ausgeführt, dass die Sonderregelung für Reiseleistungen auch auf die bloße Überlassung von Ferienunterkünften sowie den bloßen Weiterverkauf von Beherbergungsleistungen anzuwenden ist. Somit wird die bisherige Rechtsprechung auch auf die einzelne Beförderungsleistung abgeleitet und die Sonderregelung findet Anwendung.
Dieses Urteil widerspricht der bisherigen Auffassung der deutschen Finanzverwaltung
Im Inland gilt die Sonderregelung für Reiseleistungen, wenn der Unternehmer ein Bündel von mehreren Einzelleistungen erbringt. Aufgrund der bisherigen Rechtsprechung wurde die Ausnahme eingeführt, dass die Sonderregelung auch auf die Erbringung einer reinen Beherbergungsleistung anzuwenden ist. Somit vertritt die deutsche Finanzverwaltung die Auffassung, dass die umsatzsteuerliche Sonderregelung der EU z. B. nicht für reine Beförderungsleistungen gilt.
Für die Praxis ist der Beschluss wie folgt einzuordnen:
Die umsatzsteuerliche Sonderregelung für Reiseleistungen gilt für Steuerpflichtige, die ein Bündel von Einzelleistungen erbringen. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs gilt diese jedoch auch für Einzelleistungen, wenn der Steuerpflichtige ein Reisebüro bzw. ein Reiseveranstalter ist. Diese Sichtweise unterscheidet sich von der Auffassung der deutschen Finanzverwaltung. Im Falle von Einzelleistungen wird danach die Sonderregelung nur angewendet, wenn es sich um Beherbergungsleistungen handelt.
Ist die Sonderregelung anwendbar, bestimmt sich der Ort der Besteuerung nach der Ansässigkeit des leistenden Unternehmers. Des Weiteren ist die Differenzbesteuerung auf den Unterschiedsbetrag von Verkauf und Einkauf anzuwenden und ein Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen ausgeschlossen.
FAZIT
Nach diesem Beschluss kann die deutsche Finanzverwaltung nicht weiter an ihrer bisherigen Auffassung festhalten und es bleibt abzuwarten, wie sie reagiert. Auch eine weitere Frage rückt nun in den Vordergrund: Ab wann ist ein Steuerpflichtiger als Reisebüro bzw. Reiseveranstalter anzusehen? In der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU ist keine Definition enthalten und auch der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bisher keine Stellung dazu genommen.
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