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EuGH: Ort der Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer

Veröffentlicht: 19. Juni 2024 aus Rundschreiben Umsatzsteuer 1-2024
Von: Karin Korte

Das deutsche Umsatzsteuergesetz (UStG) sieht keine eigenen Ortsbestimmungsregelungen für die Einfuhrumsatzsteuer vor und bedient sich stattdessen eines Verweises in § 21 Abs. 2 UStG, wonach die Zollvorschriften sinngemäß gelten sollen.

 

Das bisherige weite Verständnis der deutschen Rechtsprechung geht davon aus, dass sich sämtliche Besteuerungsmerkmale der Einfuhrumsatzsteuer aus dem Zollrecht ergeben und auch bezüglich des Entstehungsortes der Einfuhrumsatzsteuer das Zollrecht entsprechend anzuwenden ist.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellt in seinem Urteil aus Januar 2024 klar, dass die unionsrechtliche Grundlage keine allgemeine Verknüpfung zwischen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) und dem Zollkodex herstellt und der Verweis insbesondere nicht die Bestimmung des Ortes der Einfuhr umfasst.

Die deutschen Zollbehörden stehen regelmäßig vor dem Problem, dass eine Ware unter Verstoß gegen zollrechtliche Vorschriften über andere EU-Mitgliedstaaten nach Deutschland gebracht wird (z. B. im Wege des Schmuggels von verbrauchsteuerpflichtigen Waren wie Zigaretten).
Dabei stellt sich die Frage, in welchem Staat aus umsatzsteuerlicher Sicht der Ort der Einfuhr liegt. Da das UStG keine besondere Regelung zur Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer für solche Fälle kennt, bei denen die Zollschuld in einem anderen Mitgliedstaat unentdeckt geblieben ist, stellt sich die Frage, welche Zollvorschriften sinngemäß auf Grundlage von § 21 Abs. 2 UStG angewandt werden dürfen.

Auch in dem dem EuGH-Urteil vom 18.1.2024 zugrunde liegenden Sachverhalt erwarb der in Polen wohnhafte Kläger im Jahr 2012 auf einem Markt in Polen Zigaretten (auf deren Verpackung nur belarussische und ukrainische Steuerbanderolen angebracht waren) und verbrachte diese, ohne die Zollstellen darüber zu informieren, in die Nähe von Braunschweig, wo er sie einem deutschen Käufer übergab. Er wurde nach Sicherstellung und Vernichtung der Zigaretten festgenommen. Das Hauptzollamt (HZA) Braunschweig befand, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht worden seien und dass daher eine Zollschuld entstanden sei. Ferner war es der Ansicht, dass auch Einfuhrumsatzsteuer in Deutschland entstanden sei. Gegen den entsprechenden Bescheid erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage vor dem Finanzgericht (FG) Hamburg. Dieses setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob es gegen die MwStSystRL verstößt, wenn eine mitgliedstaatliche Vorschrift den Ort der Einfuhr stets an den Ort der Entstehung der Zollschuld knüpft.

Ob und wie weit die Einfuhrumsatzsteuer im Gleichlauf mit den zollrechtlichen Vorschriften steht, ist schon seit längerer Zeit Gegenstand der EuGH-Rechtsprechung. Der EuGH hatte bereits in der Rechtssache (Rs.) Eurogate entschieden, dass keine Einfuhr vorliegt, wenn eine Zollschuld infolge von Pflichtverletzungen entsteht und die Ware nachweislich wieder ins Drittland ausgeführt wurde. In der Rs. Federal Express entschied er, dass es für die Annahme eines Eingangs in den EU-Wirtschaftskreislauf nicht genüge, wenn in Deutschland infolge zollrechtlichen Fehlverhaltens eine Zollschuld entstehe, die Ware aber in einen anderen Mitgliedstaat weiterbefördert und verbraucht worden ist.

Der EuGH nimmt in dem hier besprochenen Verfahren eine zweistufige Prüfung vor und stellt zunächst klar, dass keine allgemeine Verknüpfung zwischen MwStSystRL und Zollkodex besteht. Insbesondere der Ort der mehrwertsteuerrechtlichen Einfuhr bestimmt sich danach nicht nach dem Zollkodex. Auf die zweite Frage, ob die MwStSystRL die Anwendung verbietet, urteilt er unter Bezugnahme auf das Territorialitätsprinzip, dass die sinngemäße Anwendung auf die Mehrwertsteuer nicht mit der MwStSystRL vereinbar ist. Die Verknüpfung regelt nur den Zeitpunkt der Steuerentstehung und nicht den Ort der Einfuhr, der – unabhängig von der zollrechtlichen Fiktion und außerhalb des Anwendungsbereiches von § 21 Abs. 2 UStG – dort ist, wo die Ware in den Wirtschaftskreislauf der Union eingetreten ist und einem Verbrauch zugeführt werden kann.

Fazit

Mit diesem Urteil erteilt der EuGH der Auffassung, die Einfuhrumsatzsteuer entstehe grundsätzlich in örtlicher Hinsicht dort, wo die Zölle entstehen, endgültig eine Absage und schafft insoweit erste Rechtssicherheit, als die zollrechtliche Zuständigkeitsfiktion nicht für die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer herangezogen werden darf – wobei die Umsetzung in der Praxis noch zu Problemen führen dürfte (z. B. bei abweichenden Zuständigkeiten in verschiedenen Ländern oder bei der Bestimmung des Ortes des Eintritts in den EU-Wirtschaftskreislauf).

Dipl.-Kff. Karin Korte

Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Partnerin

+49 521 2993358

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Rundschreiben
Umsatzsteuer 1-2024

Veröffentlicht: 19. Juni 2024

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