Änderung der umsatzsteuerlichen Behandlung von Mitgliedern in Aufsichtsräten und Kontrollgremien
Veröffentlicht: 20. Juli 2021
Das Bundesfinanzministerium ändert mit Schreiben vom 08.07.2021 die Auffassung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Mitgliedern in Aufsichtsräten und Kontrollgremien und stellt klar, dass keine selbständige Tätigkeit vorliegt, wenn das Mitglied aufgrund einer Festvergütung kein Vergütungsrisiko trägt. Somit fehlt es in diesen Fällen an der Unternehmereigenschaft. Die neue Auffassung gilt in allen offenen Fällen. Jedoch ist eine Übergangsfrist bis für alle Umsätze vorgesehen, die bis zum 31.12.2021 erbracht werden.
War in der Vergangenheit klar, dass ein Aufsichtsratsmitglied in jedem Fall unternehmerisch tätig ist und folglich als umsatzsteuerlicher Unternehmer anzusehen war, wurde diese Konstante der Umsatzsteuer erstmals mit Urteil aus Juni 2019 durch den EuGH in Frage gestellt. Seither folgten zahlreiche Urteile in diesem Zusammenhang. Alle zielten auf dem Urteilstenor des EuGHs aus 2019 ab, wonach feste Vergütungen für eine Aufsichtsratstätigkeit grundsätzlich nicht zu einer selbständigen Tätigkeit führen.
Aufgrund der noch fehlenden Reaktion der deutschen Finanzverwaltung konnten sich Unternehmen wahlweise auf die Rechtsprechung des EuGHs berufen oder die alte Auffassung der Finanzverwaltung weiterhin verfolgen. Insbesondere für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmen konnte die neue Rechtsprechung von Vorteil sein.
Die Zeit des „Rosinenpickens“ hat nun bald ein Ende; mit Datum vom 08.07.2021 hat das BMF ein Schreiben veröffentlicht, in dem es – dem Urteil des EuGH folgend – klarstellt, dass ein Aufsichtsratsmitglied, welches eine nicht variable Festvergütung für seine Tätigkeit erhält, nicht selbständig tätig und damit auch kein umsatzsteuerlicher Unternehmer ist. Hintergrund dessen ist das fehlende Vergütungsrisiko in diesen Fällen. Lediglich bei Zahlung von Mischvergütungen durch das entsprechende Unternehmen - feste Entgeltkomponente sowie zusätzliche variable Komponente - kann es weiterhin zu umsatzsteuerbaren Tätigkeiten des Gremiumsmitglieds kommen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist dies grundsätzlich bei variablen Entgeltanteilen von mindestens 10% der Fall - aber auch hier gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel. In begründeten Ausnahmefällen kann von dieser Regel abgewichen werden.
Die neue Auffassung gilt nicht nur für Aufsichtsratsmitglieder, sondern auch für Mitglieder vergleichbarer Kontrollgremien.
Bis zum Ende dieses Kalenderjahres kann man sich als Gremiumsmitglied noch auf die „Altregelung“ berufen, wonach man für Leistungen, die bis zum 31.12.2021 erbracht werden, weiterhin als umsatzsteuerlicher Unternehmer gilt. Spätestens für Leistungen die ab dem 01.01.2022 erbracht werden müssen Aufsichtsmitglieder und die entsprechenden Unternehmen die Wertgrenze variabler Vergütungen (10%) im Blick haben, um bspw. den unberechtigten Ausweis von Umsatzsteuer und Risiken hinsichtlich eines möglicherweise unberechtigten Vorsteuerabzugs zu vermeiden.
Ist ein Unternehmen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, eröffnet sich bereits heute für alle noch offenen Fälle die Möglichkeit der Korrektur.
Fazit:
Unternehmen und Mitglieder von Kontrollgremien sollten bis zum Jahresende prüfen welche Auswirkungen sich durch die geänderte Auffassung der Finanzverwaltung ergeben.