Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte
Veröffentlicht: 19. November 2024
aus
Steuern & Wirtschaft aktuell 4-2024
Von:
Juliette Gill
Verluste aus Termingeschäften dürfen seit Beginn des Jahres 2021 lediglich in Höhe von 20.000 € mit Gewinnen aus Termingeschäften oder Stillhalterprämien verrechnet werden. Nunmehr sind Entscheidungen von Finanzgerichten und dem Bundesfinanzhof ergangen, die ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung der Verlustverrechnung begründen. Es gilt als wahrscheinlich, dass eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht erfolgt, das dann über die Verfassungswidrigkeit entscheiden muss.
Verluste aus Termingeschäften unterliegen einer doppelten Verlustverrechnungsbeschränkung. Einerseits dürfen die Verluste nur mit Gewinnen aus Termingeschäften bzw. Stillhalterprämien verrechnet werden und andererseits ist die Höhe der Verlustverrechnung auf 20.000 € pro Kalenderjahr beschränkt. Diese gesetzliche Verlustverrechnungsbeschränkung gilt seit dem 1.1.2021.
Nunmehr sind erste Entscheidungen ergangen, die ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit aufkommen lassen. Die Gerichte haben aber nicht in der Rechtssache selbst entschieden, sondern zu der Frage, ob der Steuerpflichtige vorläufig von der Zahlung der Steuerschuld befreit wird, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der ergangenen Steuerbescheide bestehen. Diese können vorliegen, wenn nach vorläufiger Prüfung verfassungsrechtliche Zweifel an der Gültigkeit einer gesetzlichen Vorschrift bestehen, die dem Steuerbescheid zugrunde liegt.
Sowohl die Finanzgerichte Münster (13.6.2024) und Rheinland-Pfalz (5.12.2023) als auch der Bundesfinanzhof (7.6.2024) kamen zu der Schlussfolgerung, dass erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung vorliegen. Unter anderem wurde argumentiert, dass laut Gesetzesbegründung „Kleinanleger“ vor „spekulativen Geschäften“ zu schützen seien. Soweit die tatsächlichen Verluste im Kalenderjahr jedoch 20.000 € überschreiten, muss der Steuerpflichtige weitere Termingeschäfte tätigen, um entsprechende Gewinne zu erzielen.
Ein weiteres Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg (29.4.2024) bezog sich auf die Rechtssache selbst. Interessanterweise kam das Finanzgericht zu der Entscheidung, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung verfassungskonform sei. Dies wurde damit begründet, dass es dem Gesetzgeber zustehe, spekulative Finanzgeschäfte steuerlich unattraktiv zu machen (Lenkungsziel). Die Revision wurde eingereicht, sodass nun der Bundesfinanzhof entscheiden muss.
HINWEIS
Im am 18.10.2024 vom Bundestag beschlossenen Jahressteuergesetz 2024 wurde die doppelte Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften gestrichen. Bestehende Verlustvorträge können nunmehr mit allen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Der Bundesrat muss dem Jahressteuergesetz 2024 noch zustimmen; dies ist für den 22.11.2024 geplant.
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