Corona-Krise: Erbschaftsteuerliche- und schenkungsteuerliche Handlungsempfehlungen bei bereits erfolgten Schenkungen oder Erbschaften
Veröffentlicht: 26. Mai 2020
Insbesondere mittelständische Unternehmen und ihre Gesellschafter müssen bei der Auswahl der unternehmerischen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise stets auch die Auswirkungen auf bereits erfolgte Schenkungen und Erbschaften berücksichtigen. Geschieht dies nicht, können sich erhebliche ungewollte und ungeplante schenkungs- und erbschaftsteuerliche Lasten ergeben, die stets unmittelbar die Gesellschafter treffen.
Zur Vermeidung solch ungewollter und ungeplanter Steuerlasten haben wir nachfolgend grundlegende Handlungsempfehlungen zusammengestellt:
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Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht sieht für unternehmerisches Vermögen vielfältige Begünstigungen vor. Für begünstigtes Vermögen bis EUR 26 Million kann eine 85%ige Steuerbefreiung (sog. Regelverschonung) oder unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine vollständige Befreiung (sog. Optionsverschonung) von der Schenkungs- bzw. Erbschaftsteuer erreicht werden. Bei begünstigten Vermögen von EUR 26 bis 90 Millionen kann ebenfalls die Regelverschonung oder Optionsverschonung gewählt werden, wobei sich der steuerfreie Teil zwischen 26 und 90 Million verringert. Während bei der Regelverschonung 5-jährige Nachfristen für das erhaltene Unternehmensvermögen gelten, gilt für die Optionsverschonung eine 7-jährige Nachfrist. Daneben kann für unternehmerisches Vermögen mit einem Wert von mehr als EUR 26 Millionen die sogenannte Verschonungsbedarfsprüfung gewählt werden. Hierbei wird begünstigtes unternehmerisches Vermögen verschont, wenn der Beschenkte oder Erbe über kein ausreichendes Vermögen zur Zahlung der Erbschaftsteuer verfügt. Bei der Verschonungsbedarfsprüfung bestehen ebenfalls eine 7-jährige Nachfrist.
Folgende Voraussetzungen müssen während der Nachfrist erfüllt werden, um die steuerlichen Begünstigungen nicht – ggf. auch nur anteilig – zu verlieren:
I. Lohnsummenkontrolle
Bei der Regelverschonung muss die Lohnsumme in den nächsten 5 Jahren mindestens 400 % der Ausgangslohnsumme betragen. Bei der Optionsverschonung und der Verschonungsbedarfsprüfung muss die Lohnsumme in den nächsten 7 Jahren mindestens 700 % der Ausgangslohnsumme betragen.
Das Kurzarbeitergeld reduziert die Lohnsumme nicht. Gleichwohl kann Kurzarbeit zu einem Unterschreiten der Lohnsumme führen, da das Kurzarbeitergeld regelmäßig geringer als das reguläre arbeitsvertragliche Entgelt ist. Weiterhin wird es nicht wenige Unternehmen geben, die aufgrund der Corona-Krise Arbeitsplätze abbauen müssen. Auch hierdurch besteht die Gefahr des Unterschreitens der Lohnsumme.
Handlungsempfehlung: Bei Personalmaßnahmen sollte auch immer geprüft werden, welche Auswirkungen sich auf die Lohnsumme ergeben und welche erbschaft- bzw. schenkungsteuerlichen Nachteile damit ggf. verbunden sind.
II. Ausschüttungs- und Entnahmebegrenzungen
Aus dem unternehmerischen Vermögen dürfen nur Ausschüttungen (Kapitalgesellschaften) bzw. Entnahmen (Personengesellschaften) in Höhe des nach der Schenkung bzw. Erbschaft erwirtschafteten Gewinns zzgl. des Betrags an geleisteten Einlagen unter Berücksichtigung eines Freibetrags in Höhe von 150.000 € innerhalb von 5 Jahren (Regelverschonung) bzw. von 7 Jahren in den übrigen Fällen der Begünstigung erfolgen. Übersteigen die Gewinnausschüttungen bzw. Entnahmen die zulässigen Ausschüttungs- und Entnahmebegrenzungen, liegen sog. Überentnahmen vor.
Werden trotz etwaiger Ertragsrückgänge Gewinnausschüttungen bzw. Entnahmen, wie in den Vorjahren vorgenommen, kann dies zu einer schädliche Überentnahme führen, die eine teilweise Versagung der bisherigen Steuerfreistellung zur Folge hat.
Ob entsprechende Überentnahmen vorliegen wird am Ende der jeweiligen Nachfrist geprüft.
Handlungsempfehlung: Sorgfältige Planung von Ausschüttungen bzw. Entnahmen unter Berücksichtigung der entsprechenden Begrenzungen insbesondere bei rückläufigen Gewinnen oder gar Verlusten. Rechtzeitig vor Ende der jeweiligen Nachfrist ist zu prüfen, ob Überentnahmen vorliegen. Diese und eine damit eine drohende Steuerbelastung kann grds. durch eine rechtzeitige Einlage des betroffenen Gesellschafters in Höhe der Übernahmen vor Ende der Nachfrist vermieden werden.
III. Behaltensfristverstöße
Müssen in der Krise Teile des Unternehmens oder sogar das gesamte Unternehmen bzw. die gesamte Beteiligung veräußert werden, um den Fortbestand des Unternehmens mit einem neuen Investor abzusichern, führt der Verkauf zu einem sog. Behaltensfristverstoß mit der unerfreulichen Konsequenz, dass die bisherige Steuerbefreiung zumindest teilweise entfällt und eine Erbschaft- /Schenkungsteuerbelastung droht. Das geschenkte oder ererbte unternehmerische Vermögen muss nämlich mindestens 5 Jahre (Regelverschonung) bzw. 7 Jahre in den übrigen Fällen der Begünstigung gehalten werden. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist für den Zeitpunkt des Verstoßes gegen die Behaltensfristen nicht die zivilrechtliche Übertragung/Veräußerung maßgeblich, sondern der Abschluss des schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts.
Handlungsempfehlung: Sofern die Beteiligung eines Investors erforderlich wird, sollte sorgfältig geplant werden auf welche Weise die Beteiligung strukturiert werden kann, um eine Erbschaft-/Schenkungsteuerbelastung aufgrund von Behaltensfristverstößen zu vermeiden.
Zu beachten ist, dass selbst der Eintritt einer Insolvenz aufgrund der Corona-Krise einen Verstoß gegen die Behaltensfrist darstellt und somit zu nachträglichen Steuerbelastungen führt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist die Eröffnung des Insolvenzverfahren für den Zeitpunkt des Verstoßes maßgeblich.
Handlungsempfehlung: Im Rahmen der Überlegungen, ob ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird, gerade wenn dieser Antrag nicht aufgrund insolvenzrechtlicher gesetzlicher Regelungen zwingend ist, sollten Vorteile (z. B. Sanierung in Eigenverwaltung mit ausreichenden liquiden Mitteln) und Nachteile (Nachsteuertatbestand) abgewogen werden.