Aktuelles zur Grunderwerbsteuer
Veröffentlicht: 26. Juni 2024
aus
Rundschreiben Immobiliensteuerrecht 1-2024
Von:
Prof. Dr. Oliver Middendorf,
Mike Rickermann
Die Finanzverwaltung hat am 5.3.2024 drei aktualisierte, gleichlautende Ländererlasse zur Grunderwerbsteuer veröffentlicht. Darin wird die Verwaltungsauffassung zur sog. Anteilsvereinigung, zu grunderwerbsteuerlichen Organschaftsfällen und zu grunderwerbsteuerlichen Begünstigungen bei Personengesellschaften aktualisiert und an den aktuellen Rechtsstand angepasst.
Es wurden folgende wesentliche Neuerungen vorgenommen:
- Werden mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand eines Gesellschafters unmittelbar und/oder mittelbar vereinigt, fällt Grunderwerbsteuer an (sog. Anteilsvereinigung). Zum Begriff des Anteils an einer Gesellschaft differenziert die Finanzverwaltung zwischen Kapital- und Personengesellschaften.
Bei Kapitalgesellschaften wird auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital (Stammkapital bei der GmbH bzw. Grundkapital bei der AG) abgestellt. Auf die mit den Anteilen verbundenen Rechte kommt es nicht an. Nach Auffassung der Finanzverwaltung wären damit individuelle Stimmrechts- oder Gewinnbezugsvereinbarungen unbeachtlich.
Bei Personengesellschaften hält die Finanzverwaltung für unmittelbare Anteilserwerbe an der sog. Pro-Kopf-Betrachtung fest. Demnach kommt es nicht auf die vermögensmäßige Beteiligung an. Jedem Gesellschafter wird ein gleichwertiger Anteil an der Personengesellschaft zugerechnet. Diese Sichtweise wurde zuletzt von der Rechtsprechung kritisch gesehen.
Bei einem mittelbaren Anteilserwerb entspricht der Anteil an einer Personengesellschaft hingegen – wie bei Kapitalgesellschaften – der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen. - In mehrstöckigen Beteiligungsstrukturen kann eine Anteilsvereinigung auf mehreren Ebenen in Betracht kommen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung wird der Tatbestand bei dem Rechtsträger verwirklicht, der unmittelbar am Rechtsgeschäft beteiligt ist. Erfüllt dieser den Tatbestand der Anteilsvereinigung nicht, ist ausgehend von dem unmittelbar erwerbenden Rechtsträger auf die nächsthöhere Ebene abzustellen, auf der die Anteilsvereinigung verwirklicht wird.
- Sofern Verpflichtungsgeschäft (Signing) und Übergang der Anteile (Closing) zeitlich auseinanderfallen, nimmt die Finanzverwaltung die Verwirklichung sowohl des vorrangigen Bewegungstatbestandes als auch der nachrangigen Anteilsvereinigung an. Der Vorrang des Bewegungstatbestandes (Closing) soll nur gelten, wenn beide Tatbestände zeitgleich verwirklicht werden.
Die Finanzverwaltung will weiterhin auf eine Steuerfestsetzung der Anteilsvereinigung verzichten, sofern zu erwarten ist, dass das Closing innerhalb einer Jahresfrist erfolgt. Allerdings wird neben einem identischen Grundstücksbestand auch eine fristgerechte und in allen Teilen vollständige Grunderwerbsteueranzeige sowohl für das Signing als auch für das Closing vorausgesetzt, um eine Doppelfestsetzung von Grunderwerbsteuer zu vermeiden.
Die Verstärkung einer bestehenden Anteilsvereinigung (z. B. durch Verkürzung der Beteiligungskette, Wechsel einer mittelbaren in eine unmittelbare Beteiligung oder Aufstockung der Beteiligung) stellt keine neuerliche Anteilsvereinigung dar.
Für die Praxis ist zu beachten, dass Beteiligungskettenverstärkungen jedoch einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang aufgrund des Eintritts neuer Gesellschafter bewirken können. - Die Aktualisierung zu grunderwerbsteuerlichen Organschaftsfällen beinhaltet die Anpassung an zwischenzeitliche Gesetzesänderungen, insbesondere in Bezug auf die Absenkung der relevanten Beteiligungsquoten auf 90 %.
- Im Fall der Übertragung von Grundstücken zwischen (Schwester-)Personengesellschaften bzw. zwischen Personengesellschaften und ihren Gesellschaftern sind u. a. nachlaufende Behaltensfristen in Bezug auf die Beteiligung des Gesellschafters an der erwerbenden Personengesellschaft zu beachten.
Für relevante Erwerbsvorgänge, die seit dem 1.7.2021 verwirklicht wurden, beträgt die Frist zehn Jahre. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass bereits Erwerbsvorgänge, die ab dem 1.7.2016 verwirklicht wurden, von der zehnjährigen Frist betroffen sind, also nicht (mehr) von der vorherigen kürzeren Fünfjahresfrist profitieren. - Mit Wirkung zum 1.1.2024 sind wesentliche Teile des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts in Kraft getreten. Dadurch wird bei (rechtsfähigen) Personengesellschaften der bisher geltende Begriff des Gesamthandsvermögens durch das originäre Gesellschaftsvermögen ersetzt. Da im Grunderwerbsteuerrecht vorgesehene Begünstigungen teilweise auf den Begriff des Gesamthandsvermögens abstellen, war bislang umstritten, ob die Reform Einfluss auf die Anwendbarkeit dieser grunderwerbsteuerlichen Befreiungsvorschriften hat. Dies gilt insbesondere für die äußerst praxisrelevanten Begünstigungsvorschriften für Personengesellschaften.
Durch die Einführung einer Übergangsregelung durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz vom 22.12.2023 wird sichergestellt, dass rechtsfähige Personengesellschaften für Zwecke der Grunderwerbsteuer weiterhin als Gesamthand bzw. deren Vermögen als Gesamthandsvermögen behandelt werden. Diese neue Regelung ist allerdings bis zum 31.12.2026 befristet.
Merke
Die aktualisierte Verwaltungsanweisung vom 5.3.2024 bestätigt lediglich, dass rechtsfähige Personengesellschaften bis zum 31.12.2026 weiterhin als Gesamthand gelten und damit von den Begünstigungsvorschriften profitieren können. Leider äußert sich die Finanzverwaltung nicht dazu, wie es nach dem 31.12.2026 weitergeht und ob ggf. mit Ablauf des 31.12.2026 eine passive Fristverletzung anzunehmen wäre.
Unsere Autorinnen und Autoren des Beitrags beraten Sie gerne zu Ihren persönlichen Fragen. Mehr zum Bereich: