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EuGH: Verstößt die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit?

In seinem Urteil vom 26.02.2019 in der Rechtssache X GmbH hat sich der EuGH erstmals mit der Frage beschäftigt, ob die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Die Antwort auf diese für die Praxis bedeutsame Frage steht indes noch aus und wird entscheidend von der Rechtsauffassung des BFH abhängen, dem die abschließende Prüfung aufgetragen wurde.

Hintergrund

Europarechtliche Zweifel an der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung in Drittstaatenfällen werden bereits seit geraumer Zeit gehegt. Das liegt insbesondere darin begründet, dass betroffene Steuerpflichtige keine Möglichkeit haben, wirtschaftliche Gründe für ihre Beteiligung an einer in einem Drittstaat ansässigen Gesellschaft vorzulegen (Substanznachweis). Eine solche Nachweismöglichkeit hatte der Gesetzgeber allein für EU-/EWR-Fälle als Reaktion auf die wegweisende Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Cadbury Schweppes eingeführt.

Der BFH hat aufgrund der bestehenden Zweifel ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet, um die Frage der Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu klären. Der zugrunde liegende Sachverhalt betraf den Sonderfall der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter.

Aktuelle Entscheidung des EuGH

In seinem Urteil vom 26.02.2019 in der Rechtssache X GmbH hat der EuGH nicht abschließend zur Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit Europarecht im Drittstaatenkontext Stellung genommen. Ursächlich dafür sind die Besonderheiten bei der Kapitalverkehrsfreiheit, nach denen bestimmte Beschränkungen, die vor dem 31.12.1993 bestanden, aufrechterhalten werden dürfen. Ob eine solche aus zeitlichen Gründen zu duldende Beschränkung im Falle der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung vorliegt, muss der BFH nun final klären. Sollte das nicht der Fall sein, muss nach Auffassung des EuGH ein Substanznachweis möglich sein, wenn ein Informationsaustausch mit dem betreffenden Drittstaat vereinbart ist.

Handlungsempfehlung

Verneint der BFH, dass die von der Hinzurechnungsbesteuerung ausgehenden Beschränkungen bereits vor dem 31.12.1993 bestanden, könnte dies gravierende Folgen für die Besteuerung von Zwischeneinkünften aus Drittstaatengesellschaften haben. Denn den für diesen Fall vom EuGH geforderten Substanznachweis bei vereinbartem Informationsaustausch enthält das Gesetz aktuell nicht.

Neben den streitgegenständlichen Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter hat die anstehende BFH-Entscheidung auch für die reguläre Hinzurechnungsbesteuerung Bedeutung. Vor diesem Hintergrund ist Steuerpflichtigen für sämtliche Hinzurechnungsbesteuerungsfälle mit Drittstaatenbezug anzuraten, entsprechende Steuerbescheide mit Verweis auf die genannte EuGH-Entscheidung sowie das anhängige BFH-Verfahren offenzuhalten sowie Ruhen des Verfahrens bis zur abschließenden Entscheidung des BFH zu beantragen. Ausgenommen sind lediglich Sachverhalte, in denen mit dem relevanten Drittstaat keinerlei Informationsaustausch für den betroffenen Veranlagungszeitraum vereinbart ist bzw. war.

Schließlich können sich inländische Steuerpflichtige mit Beteiligungen von weniger als 10 % an Drittstaatengesellschaften mit Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter direkt auf die aktuelle EuGH-Entscheidung berufen, da insoweit die genannten Besonderheiten bei der Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit nicht relevant sind.

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